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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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bis zum Sonnenaufgang zu erleuchten. Sie webten Kometen und Supernovas zusammen, bis sie einen Sternenteppich hatten, den sie als Decke benutzten. Die Trolle fürchteten sich vor dem hellen Licht im Haus der Mädchen und hörten schließlich auf, ihnen nachzustellen.
    Alles war gut. Doch eines Tages beschloss die missgünstigste der Trollfrauen, die in den Höhlen lebten, den Sternenschatz der Mädchen zu rauben. Sie war namenlos, doch selbst die Wölfe fürchteten sie und wichen scheu zurück, wenn sie ihre Gegenwart spürten.
    Sie wartete, bis die drei Mädchen schliefen, wickelte sich in einen Umhang, der so dick war, dass keine Strahlen ihn durchdringen konnten, und kletterte zum Baumhaus hinauf. Als sie die helle Decke berührte, brannten ihre Hände wie Feuer, und beinahe schrie sie auf. Doch sie schaffte es, stumm zu bleiben, bis die tausend Sterne im tiefsten, dunkelsten Loch im Boden vergraben waren.
    Die drei Mädchen erwachten davon, dass alle anderen Trolle gegen die Tür schlugen und versuchten, das Haus zu stürmen. »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte das mutigste Mädchen. »Wir müssen unter die Erde reisen und uns allen Gefahren stellen, die dort auf uns lauern. Denn wir sind die Schwestern, die unter den Sternen schlafen.«
    Die Mutigste. Gut, was? Meine Mutter hatte schon immer eine Schwäche für Melodramatik. Nach einer atemlosen Odyssee, in der Aoife, Fiona und ich Hexen, Dämonen und dunkle Ritter bezwangen, holten sich die Schwestern schließlich die kosmische Decke zurück und lebten glücklich bis an ihr Lebensende. Und Mutter ließ das Nachtlicht bis zum Morgen an, obwohl der Strom nicht billig war. Ich habe doch gesagt, dass sie uns geliebt hat.
    An der Heuston Station erwartete uns nichts Magisches.
    Wir nahmen den DART-Regionalzug nach Malahide und verfielen erneut in mürrisches Schweigen, während die schäbigen Uferpromenaden an uns vorbeirasten. Im Ort selbst gelangten wir nach einem kurzen Spaziergang durch enge Straßen, die aussahen, als wären die Häuser aus nassen Lebkuchen gebaut, zu unserem Ziel.
    Ich war wohl die Mutigste, also klingelte ich bei Strand Street Number One, ohne lange darüber nachzudenken. Ich erinnerte mich daran, wie mir meine Tante zum ersten Mal Süßigkeiten gekauft hatte, und fühlte mich sehr alt.
    Wir hörten disziplinierte Stakkatoschritte und das Drehen des Schlüssels im Schloss. Daheim in Castletownbere hatte ich an vielen Freitagabenden gelernt, diese Geräuschkombination zu hassen. Die Tür öffnete sich.
    Tante Moira war schöner denn je. Ihr langes Haar fiel über Schultern, die so braun gebrannt waren wie ihr Gesicht, und ihre Zähne glitzerten weißer als Jonnos falsche Beißerchen. Ihr Kleid saß wie angegossen. Sie versteckt eine verdammte Zeitmaschine in dem Haus, dachte ich. Sie hat die Zeit zurückgedreht, und Jim ist nie passiert. Wir sind wieder Kinder, und gleich sehen wir unsere Eltern wieder.
    Ja, ich weiß. Toller Augenblick, um den Kopf in den Sand zu stecken.
    Der Krebs, an dem Tante Moira angeblich litt, schien sie beim Sonnenbaden nicht zu stören. Auf ihrer Nase prangten neue Sommersprossen. Sie musterte uns einen Moment lang und lächelte dann so aufrichtig glücklich, dass ich wusste, wir hätten ein Messer mitbringen müssen.
    »Da seid ihr ja, meine Hübschen«, sagte sie, und ich fragte mich, wo sie wohl unseren Sternenteppich versteckt hatte. »Gerade rechtzeitig zum Tee.«
    Und jetzt beschleicht mich schon wieder das merkwürdige Gefühl, dass ich dir den Rest am liebsten gar nicht erzählen würde.
    Du kannst dir wahrscheinlich denken, warum. Das Merkwürdigste an unserer Zeit in diesem Haus war, wie zivilisiert, ja fast angenehm am Anfang alles wirkte. Natürlich war Tante Moira verletzt, und als sie uns bat, an dem Mahagonitisch Platz zu nehmen, den ich von früher kannte, verbarg sie ihren Ärger auch nicht. Aber sie entschuldigte sich beinahe dafür, dass sie uns gezwungen hatte, zu ihr zu kommen. Und als sich die Zuckerwürfel in unseren Tassen auflösten, kam sie zum Punkt.
    »Knochenkrebs«, sagte Tante Moira und nickte uns zu, als sei dies ihr neuer Name. »Das bedeutet, ich werde mich auflösen wie eine alte Serviette. Keine Sorge. Wenn ich nicht mehr bin, könnt ihr eure ... Sachen mitnehmen. Sie liegen in dieser Kommode.« Sie zeigte auf eine alte Eichenkommode in der Ecke. Die einzige Dekoration im Zimmer war das alte Porträtfoto von Eamon de Yalera. Die Gipsheiligen hatten die Reise nach Malahide

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