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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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ein Bandelier trug, hielt eine erbeutete britische Flinte in der Hand und schien auf den Befehl zu warten, das Feuer zu eröffnen. Die steinernen Augen des Mannes starrten Niall direkt an und missachteten ihn dennoch so vollkommen wie der Rest der Stadt.
    Die Lobster Bar und das Spinnaker Cafe auf der anderen Seite des Marktplatzes waren verriegelt, und ein schäbig wirkender Crepe-Wagen war vom Wind umgerissen worden und knallte gegen die parkenden Autos wie ein blinder Hund aus weißem Rigips. O'Hanleys und McSorley's Pubs hatten die Rollläden heruntergelassen, durch die dicken Mauern drangen leise Stimmen, die Niall auffordern zu schienen, hineinzugehen und herauszufinden, ob vielleicht nicht doch geöffnet war. Niall blickte an sich herab und dachte, zum Teufel damit. Ich brauche ein Pint, ich bin halb verhungert, und meine durchnässten Kleider müssen irgendwo trocknen. Außerdem muss ich mir mal genau überlegen, wie ich vorgehen soll.
    Er war beinahe elf Stunden lang Lastwagen ausgewichen, die ihn um ein Haar gerammt hätten, und das hatte ihn nervös gemacht. Er zuckte zusammen, als die blecherne Klingel über der Tür der Kneipe seine Ankunft verkündete.
    Einen Moment lang wusste Niall nicht genau, wo er hier gelandet war.
    Zu seiner Linken befanden sich deckenhohe Regale, in denen Nahrungsmittel gestapelt waren. Im Angebot waren Teebeutel, Kekse und Süßigkeiten, und einen Moment lang fragte er sich, ob sich Fiona getäuscht und den Anfang von Jims Geschichte über Prinz Euan doch nicht hier gehört hatte. Als er jedoch weiter in den stillen Raum vordrang, realisierte er, dass die Kneipe einfach viel kleiner war, als er sie sich vorgestellt hatte. Die kleine Bar war durch einen offenen Durchgang vom Lebensmittelladen aus zu erreichen. Eine richtige Bühne gab es nicht. Jim hätte in diesem engen Raum problemlos mit allen Zuhörern Augenkontakt halten können, selbst mit denjenigen, die bei der Hintertür neben den Toiletten standen. Das wäre ihm natürlich sehr gelegen gewesen: Hypnotisier sie mit deinen Schlangenaugen, und dann mach, was du willst, mit allen willigen Opfern, die nicht klug genug waren, rechtzeitig wegzusehen.
    Neben hölzernen Harfen hingen der Länge nach durchgesägte Modellboote ohne Masten und Segel an den Wänden. Vergilbte Zeitungsausschnitte, die den Charme der Kneipe anpriesen, bedeckten den Platz dazwischen. Mein Gott, war er auf einmal durstig. Er hatte seit gestern nur eine Tüte zerkrümelte Chips gegessen, die er kurz vor Castletownbere ganz unten in seinem Rucksack gefunden hatte. Aber er sah keinen Barkeeper und suchte in der dunklen Küche vergebens nach einem Zeichen von Leben.
    »Suchst du was?« Die Stimme war leise und geduldig und gehörte einer Person, die sich hinter ihm befand.
    Niall wirbelte herum und sah zuerst gar nichts. Rechts neben dem Durchgang, durch den er gekommen war, entdeckte er eine kleine, abgetrennte Nische mit Holzvertäfelung. Seine Mutter hatte ihm von solchen Ecken in Kneipen erzählt; in der Gegend, aus der sie stammte, wurden hier Paare verkuppelt. Vielleicht diente diese hier ja immer noch diesem Zweck? An diesem frühen Morgen jedoch tauchte aus dem Dunkel ein Gesicht auf, dessen Besitzer sich nicht dafür zu interessieren schien, ob sich zwei hungrige Herzen fanden. Es war breit und grimmig, und die Zähne waren unter einem fleischigen Überhang versteckt, der früher einmal eine Oberlippe gewesen sein mochte, aber an so vielen Biergläsern geklebt hatte, dass nur noch ein formloser Klumpen übrig geblieben war. Niall näherte sich der Nische langsam und sah, dass der Mann nicht alleine dort saß. Zwei weitere Hände mit kräftigen Handgelenken lagen gefaltet auf dem Tisch, auf dem außerdem noch ein Pintglas Stout und eine seit kurzem verbotene, bis zum Filter aufgerauchte Zigarette lagen.
    »Ich hätte gern ein Pint«, erwiderte Niall. Er würde sich nicht vertreiben lassen. Obwohl er aussah, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun, und auf seinem etwas kindischen T-Shirt Pickles der Affe in seiner besten Angriffspose zu sehen war, war er mehr als fähig, sich selbst zu verteidigen, und wer ihn einmal kämpfen gesehen hatte, ließ ihn von da an in Ruhe. Vor zwei Jahren war er zu seinem ersten Arbeitstag bei Mr. Raichoudhury mit einem blauen Auge erschienen. Und wie eine Schwester aus der Notaufnahme verbreitete, hatte der andere Typ noch viel schlimmer ausgesehen. Viel, viel schlimmer.
    Der erste Mann erhob sich mit einem

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