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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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beobachtete die Eltern, die sich inzwischen um das Auto versammelt hatten und aussahen, als hätten sie ihn am liebsten an Ort und Stelle gelyncht. »Ich ... «
    Was bin ich eigentlich, dachte er hilflos. Nie im Leben hätte er sich träumen lassen, dass er in einen solchen Schlamassel geraten würde. Ich bin ein Dieb, ein Lügner und ein Arbeitsloser, der das Vertrauen der Öffentlichkeit missbraucht. Genau das bin ich. Und wenn mir nicht bald etwas Schlaues einfällt, dann bin ich genauso tot wie Fionas Chinese.
    Bronaghs Mund war leicht geöffnet. Ihre linke Augenbraue schien ihm zu glauben, der Rest noch nicht. »Was dann? Ein New-Age-Fuzzi, der uns vor dem „Bösen“ retten will, das angeblich in dieser Stadt umgeht? Glaub mir, seit die Kameras endlich verschwunden sind, greife ich jede Woche so einen Spinner auf. Raus mit der Sprache, aber dalli!«
    »Ich bin ein Briefträger aus der Stadt, in der die beiden Mädchen gestorben sind«, gab Niall endlich zu. Er atmete tief ein und versuchte, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. »Direkt vor dem Mord hat Fiona ihr Tagebuch irgendwie aus dem Haus geschmuggelt. Es landete bei den unfrankierten Sendungen in meinem Büro. Ich habe es gelesen, und es enthält mehr Fragen als Antworten. Deshalb bin ich hergekommen.«
    Vor dem Fenster rotteten sich mehr und mehr Eltern zusammen. Mary Catherine lief mit unschuldigem Gesicht zu ihnen und deutete auf das Auto. Daddy, der böse Mann wollte, dass ich ganz schlimme Dinge mit ihm mache. Du kleine Hexe!, dachte Niall. Bald bin ich Geschichte.
    Aber ZU seiner Überraschung ließ Bronagh das Auto an und winkte dem offensichtlich enttäuschten Lynchmob, sie durchzulassen. Ihr Gesicht wirkte abwesend, wie es bei Menschen, die einen schweren Verlust erlitten haben, oft der Fall ist, bevor sie realisieren, was geschehen ist. Bevor das Auto um die Ecke bog, erhaschte Niall noch einen letzten Blick auf Mary Catherines geduldiges Gesicht. In einer so kleinen Stadt kannst du dich nicht verstecken, schien ihre Miene zu sagen. Warte nur. Du wirst meinen Vater schon sehr bald wiedersehen.
    »Das Gespräch, das wir gleich führen werden«, begann Bronagh in einem Tonfall, der weit weniger selbstbewusst klang als die New Yorker Cops, die sie so gerne kopierte, »hat niemals stattgefunden, das werde ich beim Leben meiner Mutter schwören. Und wir werden es nicht auf der Wache führen.«
    Das dunkle, butterfarbene Gras, das die Caha Mountains wie eine riesige, löchrige Perücke überzog, peitschte wie immer im Wind. Schafe starrten sanft und desinteressiert zu ihnen herüber.
    Niall saß auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens, und sein Magen krampfte sich vor Scham zusammen, als er mitanhören musste, wie Bronagh seine Geschichte bei der einzigen Person verifizierte, die sie bestätigen konnte. Selbst einen Sitz vom Telefon entfernt war der Klang dieser Stimme, die in jeder Silbe ihre ganze Enttäuschung über den vom Weg abgekommenen Rekruten zum Ausdruck brachte, kaum zu ertragen.
    Bronagh grinste und drehte ihren Kopf in Nialls Richtung. »Er sagt, er habe nicht erwartet, dass du dich fälschlicherweise als Briefträger ausgeben würdest, da er dir doch vorgestern gekündigt hat.«
    »Ich habe nie das Gegenteil behauptet.«
    Sie hielt tadelnd den Zeigefinger hoch und hörte sich den Rest des Sermons an, in den Nialls ehemaliger Vorgesetzter offenbar die gesamte Essenz seines bengalischen Soldatenehrenkodex packte. »Jetzt redet er davon, dass du nicht auf seine Warnung gehört hast«, fügte Bronagh hinzu, »und dass er sicher sei, du hättest dich wieder von den Bildern einsaugen lassen. Hast du eine Ahnung, wovon er spricht?«
    »Ja«, gab Niall zu und starrte ein Schaf an, das direkt neben dem Auto am Gras knabberte. Er dachte noch einmal an den Wolf, aber diesmal verschwamm er vor seinem inneren Auge mit seiner Vorstellung von Jim und formte ein Mischwesen aus Mensch und Tier. »Leider weiß ich das.«
    »Tausend Dank, Mr. Raichoudhury«, sagte Bronagh abschließend und legte auf. Sie atmete tief aus und scheuchte das aufdringliche Tier weg. Dann starrte sie aufs Meer hinaus. »Ich habe sie im Stich gelassen, weißt du? Fiona war früher meine beste Freundin, und sie kam zu mir, als sie Hilfe brauchte. Roisin auch. Ich habe ihnen nicht geholfen, und jetzt ist es zu spät.« »Vielleicht nicht.« Niall griff in seine Jacke, und Bronagh riss erschrocken das Tränengas hoch, das sie in der Hand hielt.
    »Warte! Ich will dir etwas

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