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Darling

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Titel: Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Hartmann
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und Umgebung gewesen. Viele von ihnen wurden in den Kellern der riesigen Halle schwer misshandelt, bevor sie wie Vieh in Güterwaggons der Reichsbahn gepfercht wurden. Litzmannstadt, Minsk, Riga, Theresienstadt, Buchenwald, Ravensbrück oder Auschwitz waren die Ziele dieser menschenunwürdigen Transporte in den Tod gewesen.
    Das seit 1984 unter Denkmalschutz stehende Gebäude, das ältere Frankfurter als „Gemieskerch“ bezeichneten, sollte bis 2011 zum Hauptsitz der Europäischen Zentralbank umgebaut werden. Zwei 180 Meter hohe, ineinander verschlungene Hochhäuser und ein diagonaler Querriegel durch die Halle waren bereits geplant. Doch sowohl die Urheberrechtsklage der Erben Martin Elsässers als auch die Suche nach einem Generalunternehmer hatten das Bauvorhaben verzögert. Seit die Annexbauten abgerissen waren, ruhten die Arbeiten hinter den meterhohen Zäunen an der Sonnemannstraße.
    Adrian blickte nachdenklich durch den über zwei Meter hohen Maschenzaun, der Unbefugte vom Gelände fernhalten sollte, insbesondere seit die Lichtmasten abgebaut waren. Doch immer wieder schnitten Unbekannte den Zaun auf und kürzten so den Weg zur Eckhardtstraße, die parallel zu den Eisenbahnschienen am Mainufer verlief, ab.
    Er empfand die Großmarkthalle als Kronzeugen einer längst vergangenen Epoche einer Stadt, die auf der einen Seite immer rasanter baute und auf der anderen Seite immer weniger Interesse am Erhalt ihrer Industriekultur aufbrachte. An der Vorderfront des Gebäudes tickte die markante Uhr unerbittlich weiter. Angesichts des Alters und der schieren Größe des Bauwerks fühlte Adrian sich klein und vergänglich. Nachdenklich griff er in seine Jackentasche, doch die Zigarettenschachtel war leer. Missmutig kickte er die leere Packung in den Rinnstein. Dann überquerte er hastig die Straße, auf die nur noch vereinzelt Regentropfen fielen, und zog den Schlüssel zu Enzos Wohnung aus der Tasche.

33
    „So schnell sieht man sich wieder.“
    Gerold Hahn grinste ironisch, als Edith plötzlich im Flur von Karl Blums Wohnung stand.
    „Wir pflegen halt eine andere Beziehung als Normalsterbliche“, lächelte die Kommissarin ihren Kollegen von der Spurensicherung augenzwinkernd an.
    „Ich störe euer Tête-à-tête ja äußerst ungern. Aber gibt es Zeugen?“, platzte Stefan Weber in das Wortgeplänkel der beiden Kommissare. Edith zog missmutig die rechte Augenbraue hoch.
    „Tut mir leid, Edith, ich wollte heute Abend nicht allzu spät Feierabend machen. Meine Frau wartet mit unserer kleinen Tochter und dem Abendessen.“
    Hilflos zuckte der Kommissar die Achseln, als Ediths ungehaltener Blick ihn traf.
    „Die Nachbarin, Frau Schulz, hat Karl Blum heute Mittag tot in seinem Bett gefunden und dann den Notarzt gerufen. Aber der konnte nichts mehr für ihn tun.“
    Edith schaute sich im Flur des Hauses um. Überall war Staub gewischt und picobello aufgeräumt. Neben dem Anrufbeantworter lagen die Tageszeitung, zwei Briefe und ein Autoschlüssel.
    „Gehört der Schlüssel zum Taxi vor der Tür?“, fragte Edith Tannhäuser.
    Gerold zuckte mit den Achseln.
    „Das haben wir noch nicht überprüft. Die Kollegen von der Spurensicherung sind noch im ersten Stock.“ Und nach einer kurzen Pause: „So wie es aussieht, wurde der Taxifahrer hier unten bewusstlos geschlagen, dann die Treppe hochgeschleift und anschließend in seinem Bett unter einem Kopfkissen erstickt. Außer ein paar Haaren hier unten auf dem Teppich und ein bisschen DNA am Kopfkissen gibt es keine echten Spuren, und nichts deutet auf Gegenwehr oder gar einen Kampf um Leben und Tod hin. Der oder die Täter haben den Mann völlig überrumpelt“, stellte der Chef der Spurensicherung fachmännisch fest. „Karl Blum scheint seinen Mörder gekannt zu haben. Denn er hat ihm offensichtlich die Tür geöffnet.“
    Edith ging durch den Flur in die Küche. Auf dem Tisch lag eine angebrochene Packung Zwieback neben einigen Teebeuteln. Im Wohnzimmer fiel ihr die braune Kamelhaardecke, die ordentlich gefaltet neben mehreren Sofakissen auf der Couch lag, sofort ins Auge. Ein wuchtiger Eichenschrank mit Büchern und dem üblichen Porzellan-Nippes der fünfziger Jahre dominierte das kleine Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag eine aufgeschlagene Zeitschrift mit dem Fernsehprogramm vom Montagabend. Lediglich der völlig überdimensionierte und anscheinend ausgesprochen teure LCD-Fernseher mit einem silbernen DVD-Player wirkte im 50er-Jahre-Ambiente des Wohnzimmers sichtlich

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