Darling
senkte ihren Kopf.
„Nicht dass Sie denken, dass ich neugierig bin. Aber als Karl heute Mittag nicht ans Telefon ging, wollte ich mal nach dem Rechten sehen“, rechtfertigte sie sich.
„Ans Telefon?“, fragte Edith.
„Ja, klar. Das Taxi stand ja um halb zwölf noch immer auf der Straße. Und die Zeitung lag im Regen vor der Haustür. Da habe ich Karl angerufen, um zu fragen, was los ist. Doch er ging nicht ans Telefon. Und der Anrufbeantworter war abgeschaltet. Das erschien mir dann doch äußerst merkwürdig. Da ich für Karl die Wohnung in Ordnung bringe, habe ich natürlich einen Zweitschlüssel …“
Anneliese Schulz stockte. Dann senkte sie den Blick, und ihre Schultern fingen an zu zucken. Ein tiefes, verzweifeltes Schluchzen ließ ihren zusammengesunkenen Körper erbeben.
Edith stand auf und legte ihre Hand tröstend auf die Schulter der Frau.
„Wir werden den Mörder von Karl Blum finden“, versprach sie der hemmungslos weinenden Nachbarin, die aus ihrer geblümten Küchenschürze äußerst umständlich ein Taschentuch kramte.
„Er war so ein guter Mensch. Das hat er nicht verdient“, schnäuzte sie in das zerknitterte Tempo.
„Sie haben uns sehr geholfen“, bedankte sich Edith bei der Nachbarin. „Und wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns bitte an.“
Mühsam stemmte sich die Frau mit dem Hund von der Couch. Ihr Blick fiel auf das in Gold gerahmte Foto von Karl Blum vor seinem tipptopp gepflegten Taxi.
„Ach ja“, sagte sie, „da fällt mir doch noch was ein, ich weiß nicht, ob das wichtig ist: Der Autoschlüssel von Karls Taxi lag heute Mittag im Briefkasten.“
Edith blickte verwundert auf Gerold Hahn, der mit den Schultern zuckte.
„Ist das der Autoschlüssel neben dem Telefon?“, fragte er. Anneliese Schulz nickte.
„Ja, ich hab ihn heute Mittag dort hingelegt. Bevor ich Karl gefunden habe.“
Als sie den Satz vollendete, traf ihr zutiefst trauriger Blick Edith. Dann brach sie erneut in Tränen aus.
Stefan Weber schaute die Kommissarin fragend an, doch sie schüttelte heftig den Kopf.
„Einer unserer Beamten begleitet Sie jetzt nach Hause, Frau Schulz. Dann können Sie sich ein bisschen ausruhen“, schlug die Kommissarin vor.
Als sie die Haustür öffnete, empfing sie ein heftiges Blitzlichtgewitter.
„Frau Tannhäuser, schauen Sie hierher für BILD“, gestikulierte einer der Fotografen.
Anneliese Schulz war für einen Moment völlig perplex. Verzweifelt klammerte sie sich an Fuzzi und stolperte verwirrt die Treppe hinunter. Doch Edith Tannhäuser machte die Hatz der Fotografen fürchterlich wütend.
„Verschwinden Sie!“ Wütend drohte sie in Richtung der Fotografen.
„Aasgeier!“, zischte sie zwischen ihren zusammengepressten Lippen Richtung Stefan Weber.
34
Als Sissi ihren Wagen vor dem Haus von Karl Blum parkte, fiel ihr sofort das Rudel an Fotografen auf. Gerade als sie ausstieg, trat Edith mit einer älteren, verweinten Frau, die sich hilflos an einen kleinen Hund klammerte, vor die Tür. Ein Polizeibeamter bahnte ihr den Weg zum Nachbarhaus.
Sissi Wagner stieg aus ihrem Wagen.
„Edith!“, winkte sie.
Überrascht blieb die Kommissarin auf der Treppe stehen. Dann winkte sie ihre Freundin heran. Unter dem einsetzenden Blitzlichtgewitter bahnte sich Sissi einen Weg durch die Reporter und Fotografen. Edith schaute sie überrascht an.
„Was tust du hier?“
Laut schlug sie die Eingangstür hinter ihnen zu. Außer Atem schaute Sissi sich aufmerksam im Flur um.
„Hier hat sich nichts verändert“, stellte die Taxichefin fest, nachdem ihr Blick durchs Treppenhaus geschweift war.
„Du warst schon mal hier?“
Sissi nickte. „Karl hat vor ungefähr fünf Jahren hier seinen 50. Geburtstag gefeiert. Er ist in diesem Haus aufgewachsen und hat hier seine Mutter bis zu ihrem Tod aufopfernd gepflegt. Das war damals keine leichte Zeit für ihn“, erzählte Sissi. „Karl lebte ansonsten völlig zurückgezogen. Sein ganzer Stolz ist das Taxi, das da draußen auf der Straße steht.“
Dann korrigierte sie sich nachdenklich. „Sein ganzer Stolz war das Taxi, das da draußen auf der Straße steht.“
„An den Wagen muss noch die Spurensicherung ran. Die Nachbarin hat heute Mittag den Autoschlüssel aus dem Briefkasten gefischt“, sagte Edith.
Sissi Wagner schüttelte ungläubig ihren Kopf.
„Karl verleiht sein Auto nicht. Das Taxi ist sein Ein und Alles. Da würde ich drauf wetten.“
„Hat Karl gestern gearbeitet?“, fragte Edith.
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