Darling
Druckverband angelegt hatte, ließ sie erschöpft kaltes klares Wasser über ihre Hände rinnen. In dem Moment klingelte es.
Verdammt schnell das Taxi, wunderte sich Annika und humpelte fluchend zur Sprechanlage.
„Ich komme runter“, rief sie.
Der umwickelte Fuß passte noch nicht mal in die Badeschlappen. Aber es war ihr mittlerweile völlig egal, welch grotesken Aufzug sie mitten im November abgab. Mühsam humpelte sie mit Handtasche und Schlüssel zur Tür.
Es dauerte nur Sekunden, bis der Aufzug im dritten Stock hielt. Irgendwie ging alles wahnsinnig schnell. Annika fühlte sich aus dem Takt gebracht. Als die Aufzugtür aufklappte, rempelte sie gegen einen hoch gewachsenen Hünen mit kahl geschorenem Kopf und schwarzer Lederjacke.
„Entschuldigung“, murmelte sie und humpelte in den Fahrstuhl. Dann schlossen sich die Türen.
Für einen Moment realisierte Annika, dass sie den Mann hier im Haus noch nie gesehen hatte. Vielleicht war es der neue Nachbar, der sich in der Etage geirrt hatte? Immerhin hatte bis vor zwei Wochen im Stockwerk unter ihnen ein junges Paar gelebt, das das ganze Haus lebhaft an seinen Beziehungsproblemen hatte teilhaben lassen.
Als Annika aus der Haustür trat, fuhr das Taxi vor. Für einen Moment wunderte sie sich. Wenn nicht er, wer hatte dann geklingelt? Doch der Schmerz überwältigte ihre Gedanken.
„Uniklinik, schnell.“
42
„Edith Tannhäuser, Stefan Weber, Kripo Frankfurt, Mordkommission.“
Edith hielt Adrian ihren Dienstausweis unter die Nase. Er nickte.
„Wo bist du so lange geblieben?“, fuhr Sissi ihn an. „Die Kommissare haben hier auf dich gewartet.“
Adrian drehte sichtlich genervt den Kopf zur Seite.
„Sorry, Sissi. Du hast nicht gesagt, dass die Polizei hier wartet! Du hast nur gesagt, dass sie mich suchen“, trotzte er.
Edith Tannhäuser schaute Stefan Weber an, doch der verzog keine Miene.
„Möchten Sie einen Kaffee?“, fragte die Kommissarin und stellte Adrian, ohne eine Antwort abzuwarten, eine Tasse hin.
„Milch? Zucker?“
„Beides bitte.“
Adrian rührte nervös mit dem Löffel in der Tasse. „Entschuldigung, ich würde jetzt gerne eine Zigarette rauchen. Im Taxi ist das leider nicht erlaubt“, seufzte er.
„Es dauert nicht lange, Herr Baumann“, beruhigte ihn Edith Tannhäuser. „Reine Routine. Wo waren Sie Montagabend ab 21.00 Uhr?“
„Ich bin Taxi gefahren, wie immer. So bis elf, halb zwölf. Und danach war ich zu Hause bei meiner Freundin. Aber …“
Adrian stockte.
„Aber was?“, fragte Stefan Weber.
„Wir haben uns Montagnacht heftig gestritten. Es kriselt schon länger. Ich hab’ unsere Wohnung so um Mitternacht verlassen und anschließend bei einem Freund übernachtet. Er heißt Enzo Calderola. Das kann er Ihnen bezeugen.“
Perfekt einstudiert spulte Adrian den Text ab, den er sich auf dem Weg zur Taxizentrale zurechtgelegt hatte.
„Kennen Sie Karl Blum?“, fragte Edith. Adrian zuckte zusammen.
„Ja, klar. Was für eine Frage“, murmelte er und senkte betrübt den Kopf. „Ich hab heute Morgen gelesen, dass ihm etwas Furchtbares zugestoßen ist. Der arme Kerl tut keiner Fliege was zuleide …“
„Karl war krank?“, fragte die Kommissarin.
Adrian nickte und fühlte eine tiefe Bestürzung in sich hochsteigen.
„Gewindelt“, hatte Clara gesagt. Dieses Wort kämpfte in seinem Kopf einen heftigen Kampf gegen all das, was er der Kommissarin jetzt eigentlich sagen müsste.
„Ja“, nickte Adrian. „Karl war krank.“
Stefan Weber schaute Edith fragend an, doch sie schüttelte verneinend den Kopf.
„Wann haben Sie Karl Blum das letzte Mal gesehen?“, hakte die Kommissarin nach.
„Es muss so um 21 Uhr gewesen sein, am Taxistand vor dem Hauptbahnhof“, erinnerte sich Adrian. „Karl klagte über Magen-Darm-Probleme. Er wollte früher Feierabend machen. Es war eh nichts los.“
„Hatten Sie den Eindruck, dass Ihr Kollege Sorgen oder Probleme hatte? Oder Angst?“
Adrian schüttelte den Kopf.
„Nö, Karl war wie immer. Nur etwas schlapp halt wegen seiner Magenschmerzen. Sonst nichts.“
Edith bedankte sich bei Adrian.
„Ach ja, wir brauchen noch die Telefonnummer von Herrn Calderola. Wir müssen ihn und natürlich auch noch Ihre Freundin – oder Exfreundin – als Zeugen befragen.“
Nachdenklich kratzte Adrian sich am Kopf. „Die Telefonnummer von Enzo müssten Sie über die Auskunft erfragen. Ich kann mir blöderweise keine Telefonnummern merken, und ich hab gerade mein Handy
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