Darling
allerdings ganz schrecklich. Einfach nur furchtbar. Nirgendwo in Frankfurt sei man mehr sicher. Aber das habe man hier im Kuhwald eigentlich schon immer geahnt.
Wieder und wieder nahm Adrian das Foto von Karl Blum gefangen. Es zeigte ihn lachend und entspannt vor seinem Taxi in der Friedrich-Naumann-Straße.
Adrian zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Es war ihm völlig egal, dass im Taxi Rauchverbot herrschte. Unzählige Gedanken jagten durch seinen Kopf. Karl, warum ausgerechnet Karl? Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Warum er? Wer hatte ihn ermordet?
Adrian holte das Amulett aus der Hosentasche und blickte nachdenklich auf den silbernen Flügel. Der Engel bringt den Tod, durchfuhr es ihn.
Dann holte er tief Luft. Er war fest entschlossen, Clara zur Rede zu stellen.
Nachdem er den Motor des Mercedes gestartet hatte, stellte er das Funkgerät an. Sofort meldete sich Sissi.
„Adrian, wo bist du?“, fuhr sie ihn hart und aufgeregt an. „Die Polizei sucht dich. Komm sofort zur Zentrale!“
40
Adrian fühlte sich total benommen. Karl war tot. Wieder und wieder starrte er auf die Zeitung, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Als ein Handy klingelte, brauchte er Sekunden, bis er realisierte, dass es Enzos Telefon in seiner Jacke war.
„Baumann“, meldete er sich.
„Adrian, ich muss Sie unbedingt sprechen“, hörte er Clara sagen. Ihre Stimme wirkte gedrückt.
„Worüber wollen Sie mit mir reden?“, antwortete er tonlos.
„Karl Blum ist tot.“
„Ich weiß“, sagte Clara.
Er hörte sie ruhig und tief atmen.
„Die Polizei will mit mir reden“, sagte er plötzlich.
„Lassen Sie uns treffen, bitte“, flehte sie ihn an. „Holen Sie mich ab. Ich kann Ihnen alles erklären.“
Adrian zögerte.
„Verstehen Sie nicht? Karl ist tot“, schrie er ins Handy. „Tot! Tot! Tot! Und Sie haben ihn auf dem Gewissen!“
Die Ampel an der Untermainbrücke sprang auf Rot. Mit quietschenden Bremsen hielt das Taxi direkt neben einem Polizeifahrzeug.
„Scheiße“, fluchte er und warf das Handy auf den Beifahrersitz.
„Hallo, hallo? Sind Sie noch da?“, hörte er Clara rufen. Dann knackte es in der Leitung. Sie hatte aufgelegt.
Die Ampel sprang auf Grün. Der Polizeiwagen bog Richtung Willy-Brandt-Platz ab. Nervös tippte Adrian die Rückruftaste.
„Unbekannter Anrufer“, stand im Display. Zornig schmetterte er das Nokia auf den Beifahrersitz.
„Verdammter Mist.“
An der Wilhelm-Leuschner-Straße überlegte er kurz. Zur Taxizentrale müsste er jetzt abbiegen. Doch Adrian drückte das Gaspedal durch. Baseler Platz, Gutleutstraße, Emser Brücke. Viel zu schnell kämpfte er sich durch den chaotischen Frankfurter Berufsverkehr. Regentropfen perlten unablässig über die Frontscheibe, obwohl sich der Scheibenwischer heftig um klare Sicht bemühte.
Als Adrian vor dem Haus in der Elektronstraße hielt, öffnete Clara gerade die Haustür. Heftig stieß Adrian die Beifahrertür auf.
„Einsteigen“, herrschte er die völlig überraschte Frau an. Widerspruchslos stieg sie in den Wagen.
„Hier!“
Zornig hielt er ihr das Boulevardblatt unter die Nase. Von der Souveränität des vergangenen Abends war bei Clara nichts mehr zu spüren. Sie war ungeschminkt und sah verdammt müde aus. Als sie den Kopf über die Zeitung beugte, fielen ihre halblangen Haare über ihr Gesicht.
„Es ist alles ein schreckliches Missverständnis“, druckste sie herum.
„Seit wann ist ein Toter ein Missverständnis?“, tobte Adrian und zog Clara an den Haaren hoch. „Schauen Sie sich das doch an! Sie haben zwei Menschen auf dem Gewissen!“
Sie zuckte zusammen.
„Nein, dafür trage ich keine Verantwortung“, rechtfertigte sie sich leise. „Und ich hätte so etwas auch niemals gebilligt“, schob sie trotzig nach.
Wie ein verletztes Tier sah sie Adrian mit leeren graublauen Augen an. Er spürte, dass das die Wahrheit war. Schlagartig ließ er ihre Haare los. Ihr Kopf schnellte vor. Doch sie verzog keine Miene.
Adrian blickte aus dem Seitenfenster.
„Wer war das?“, beharrte er mit Nachdruck. Clara zuckte mit den Achseln.
„Weiß ich nicht. Wirklich nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Ehrenwort.“ Unverwandt schaute sie Adrian an. Dann griff sie nach seiner Hand. „Lassen Sie es uns gemeinsam herausfinden.“
Doch er schüttelte sie ab wie eine lästige Kakerlake.
„Warum Karl? Warum nur?“
Clara ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
„Karl Blum
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