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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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bekämpfen.
    Seitdem Forscher das herausgefunden haben, wird in Pharmaunternehmen Massen-Bakterienhaltung betrieben. In riesigen Flüssigkeitsbehältern (mit bis zu 100   000 Litern Fassungsvolumen) wachsen so unfassbar viele Bakterien, dass man es in Zahlen kaum ausdrücken kann. Sie stellen Antibiotika her, wir reinigen diese auf und pressen den Stoff in Tabletten. Das Produkt kommt gut an – vor allem in den USA : Bei einer Studie über die Auswirkung von Antibiotika auf die Darmflora fanden sich im gesamten Bezirk von San Francisco und den umliegenden Ortschaften nur zwei Personen, die in den vergangenen beiden Jahren keine Antibiotika eingenommen hatten. Jeder vierte Deutsche nimmt durchschnittlich einmal im Jahr ein Antibiotikum. Der häufigste Grund sind »Erkältungen«. Jedem Mikrobiologen versetzt diese Aussage einen Stich ins Herz. Erkältungen entstehen oft gar nicht wegen Bakterien, sondern wegen Viren! Antibiotika haben drei Funktionsweisen: Bakterien kaputtlöchern, Bakterien vergiften und Bakterien zeugungsunfähig machen. Für Viren sind diese Medikamente schlichtweg nicht zuständig.
    Bei vielen Erkältungen bringen Antibiotika daher gar nichts. Wenn es einem nach der Einnahme trotzdem bessergeht, liegt es am Placebo-Effekt oder an der Arbeit unseres eigenen Immunsystems. Man tötet allerdings durch die unsinnige Einnahme viele hilfreiche Bakterien und schadet sich dadurch. Um dem vorzubeugen, kann man bei unklaren Infekten den Hausarzt bitten, einen Procalcitonin -Test zu machen. Dieser Test zeigt an, ob Bakterien oder Viren schuld an der Erkältung sind. Er kostet 25 Euro und wird von den meisten Krankenkassen nicht bezahlt. Vor allem wenn kleine Kinder unter einem unklaren Infekt leiden, sollte man diese Option in Erwägung ziehen.
    Wenn es wirklich angebracht ist, Antibiotika zu nehmen, dann nur zu. Die Nachteile werden dann sicher von den Vorteilen aufgewogen – zum Beispiel, wenn man an einer schweren Lungenentzündung erkrankt ist oder als Kind ohne Folgeschäden einen besonders fiesen Infekt überwinden will. Hier kann eine kleine Tablette Leben retten. Antibiotika sorgen dafür, dass sich die Bakterien nicht weiter vermehren. Das Immunsystem tötet dann alle restlichen Krankheitserreger ab, und es geht uns schnell wieder gut. Dafür zahlen wir zwar einen Preis – aber alles in allem ist das ein sehr kluges Geschäft.
    Die häufigste Nebenwirkung ist Durchfall. Wer keinen Durchfall kriegt, merkt vielleicht beim morgendlichen Gang auf die Toilette, dass er deutlich größere Portionen zustande bekommt. Ganz uncharmant und geradeheraus: Das ist eine große Portion toter Darmbakterien. Die Antibiotika-Tablette fliegt nicht vom Mund zur erkälteten Nase, sondern rutscht direkt in den Magen und von dort aus in den Darm. Bevor es von hier aus ins Blut und dann – unter anderem auch – zur Nase geht, wird die Mikrobensammlung im Darm erst mal zerlöchert, vergiftet und zeugungsunfähig gemacht. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Schlachtfeld, das man beim nächsten Gang aufs Klo besichtigen kann.
    Antibiotika können unsere Darmflora deutlich verändern. Die Vielfalt unserer Darmmikroben nimmt durch sie ab, und ihre Fähigkeiten können sich verändern – zum Beispiel, wie viel Cholesterin aufgenommen werden kann, ob Vitamine (wie das hautfreundliche Vitamin H) hergestellt werden oder welche Nahrung verwertet wird. Besonders starke Veränderungen der Darmflora haben in ersten Studien aus Harvard und New York die Antibiotika Metronidazol und Gentamycin gezeigt.
    Heikel sind Antibiotika für kleine Kinder und ältere Patienten. Ihre Darmflora ist ohnehin sehr viel unstabiler und erholt sich im Anschluss an die Behandlung schlechter. Studien aus Schweden konnten zeigen, dass bei Kindern noch zwei Monate nach Antibiotika-Einnahme deutliche Veränderungen in der Darmflora festzustellen waren: Es gab mehr potentiell schlechte Bakterien und weniger gute wie Bifidobakterien oder Lactobazillen. Die verwendeten Antibiotika waren Ampicillin und Gentamycin. Es wurden nur neun Kinder untersucht, was das Ganze nicht besonders aussagekräftig macht – allerdings ist dies die einzige Studie ihrer Art. Man muss sie also vorsichtig zur Kenntnis nehmen.
    Eine neuere Studie an Rentnern aus Irland zeigte eine deutliche Zweiteilung: Manche Darmlandschaften erholten sich nach Antibiotika-Einnahme sehr gut, andere blieben dauerhaft verändert. Die Ursachen dafür sind noch völlig unklar. Die Fähigkeit, sich

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