Darth Scabrous
sein, musste Lussk den Blick abwenden. Die Schwerkraft hatte Hackfleisch aus den Körpern gemacht, sie in fremdartige Formen verdreht. Gebrochene Knochen ragten aus dem Fleisch hervor. Einer von ihnen - ein hemdloser, blutverschmierter Sack herausquellender Eingeweide - lag in einem Winkel, dass Lussk sein rechtes Auge aus der Höhle hervorstehen sehen konnte.
Dann setzte sich der Leichnam auf.
Lussk gaffte ihn mit offenem Mund an, wie gelähmt von einer dösigen Woge vollkommener Ehrfurcht. Das ist unmöglich, dachte er. So einen Sturz überlebt niemand. Niemand...
Sein Gedanke - das, was davon noch folgen sollte - brach sauber ab. Der Blutverschmierte sah ihn mit seinem einen intakten Auge unverwandt an, und ein wildes, unmenschliches Grinsen spülte über das hinweg, was von seinem Gesicht noch übrig war. Abgesehen davon, dass es ihm das Auge aus dem Schädel getrieben hatte, hatte sich der Sturz auf sein Rückgrat und seine Schultern ausgewirkt, hatte sie seitlich herumgerissen, hatte das Schlüsselbein nach außen gedrückt, hatte seinen Armknochen durch die Haut getrieben. Das Ding sah aus, als trüge es fleischfarbene Kleider, die kürzlich darauf drapiert worden waren wie auf einem Bügel.
Und trotzdem bewegte es sich noch.
Mit seinen gebrochenen Armen packte das Ding den anderen Leichnam, hob ihn mit einer schlackernden, gierigen Geste auf und führte ihn an sein Maul - und das war der Moment, in dem Lussk hinter den kaputten Knochen und den Blutschichten die zerfleischten Leiber von Wim Nickter und Jura Ostrogoth erkannte.
Das Ding, das einst Nickter gewesen war, wackelte mit dem Kopf und grub seine Zähne in die breiigen Überreste von Ostrogoths Gesicht. Beinahe augenblicklich konnte Lussk die Laute hören, eine Reihe gieriger, geifernder Grunzer. Ostrogoth - das, was von ihm noch übrig war - machte keine Anstalten, sich zu wehren.
»Was ist das?«, murmelte Ra’ats Stimme hinter ihm. »Was ist das für ein Ding?«
Lussk schüttelte den Kopf und wich zurück. Er hatte keine Ahnung, was er soeben zu Gesicht bekommen hatte - das alles zu verarbeiten würde seine Zeit brauchen, um zu entscheiden, wie er dagegen kämpfen oder es zu seinem Vorteil nutzen konnte -, doch fürs Erste würde er die Dinge so hinnehmen, wie sie waren. »Das findest du schon raus.« Lussk warf sein Schwert beiseite, wandte sich Ra'at zu und packte mit beiden Händen die Tunika des kleineren Schülers, um ihn fest genug nach vorn zu reißen, dass Ra'ats Zähne wie Kastagnetten aufeinanderschlugen. Ra'ats Überraschung hatte ihn angreifbar gemacht, zu einem leichten Ziel. Ra’ats Schwert entglitt seiner Hand und prallte vom Felsen ab, bevor es im neugefallenen Schnee stecken blieb.
»Warte, was machst du da?«, fragte Ra'at. »Du kannst nicht...«
Lussk wirbelte ihn herum und stieß ihn so kräftig wie möglich nach hinten, in Richtung des geifernden, fressenden Dings, das über Jura Ostrogoth gebeugt war. Ra'at quiekte, seine Arme ruderten, als wolle er sich an irgendetwas in der Luft festhalten. Nahezu augenblicklich gaben seine Beine unter ihm nach, und er stolperte, wankte, rutschte aus und stürzte schließlich hin, um zuerst auf seinen Knien und dann auf dem Rücken zu landen.
Das Nickter-Ding hob seinen Kopf. Frisches Blut rann von seinem Kinn, tropfte ihm von den Lippen. Das eine noch funktionierende Auge des Wesens zitterte wie ein rohes Ei in einem Becher. Es stieß Juras Leichnam beiseite und wandte seine ganze Aufmerksamkeit Ra'at zu, mit dem ganzen Hunger eines Geschöpfs, dem lebendes Fleisch dargeboten wird.
»Nein!«, rief Ra'at, während er sich aufrappelte oder es zumindest versuchte. »Nein, nein...«
Lussk wandte sich ab, die Beine bereits angespannt, um loszulaufen. Das Letzte, was er in dem Moment hörte, bevor er in die Bibliothek stürmte, war Ra'ats Schrei.
Kapitel 15
TRIAGE
Scabrous brauchte weniger als dreißig Sekunden, um die Wunde im Gesicht mit Salz auszuspülen, sich selbst eine Kanüle zu setzen und die Selbstdiagnose-Manschette zu aktivieren. Alles befand sich genau da, wo er es hingelegt hatte. Er arbeitete schnell, ohne das geringste Zögern, und die geschmeidige, geübte Gleichmäßigkeit seiner Bewegungen gab nichts von dem Zorn preis, die einem glühenden roten Kohlebrocken gleich in seiner Brust saß.
An seinem rechten Handgelenk ertönte ein leises elektronisches Piepen, das die Dreißig-Sekunden-Marke verkündete. Er überprüfte die Anzeige der
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