Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Evolutionslehre verboten und Florida sie als verderblich gebrandmarkt hat, untersagt im Jahr 1925 Tennessee per Gesetz, »irgendeine Theorie zu lehren, die der biblischen Geschichte der göttlichen Schöpfung des Menschen widerspricht, und stattdessen zu lehren, dass der Mensch von einer niedrigeren Ordnung abstammt«.
Der vierundzwanzigjährige Lehrer John Scopes stellt sich kurz darauf der Anklage, da man »die Schlange am besten vernichtet, wenn sie anfängt, sich zu winden«. Er gibt freimütig zu, Evolution im Biologieunterricht gelehrt zu haben, sie komme schließlich auch im staatlich anerkannten Schulbuch vor. Der Prozess zieht Tausende an, Millionen können ihn erstmals am Radio verfolgen. Während die Anklage vorträgt, die Theorie gefährde das Christentum, hält die Verteidigung dagegen, es gehe um mehr als Darwin und seine Lehre in der Schule, nämlich um die Zivilisation.
Die Prozessführer aufseiten der Evolution erreichen ihr taktisches Ziel. Scopes wird für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von hundert Dollar verurteilt. Doch das Kalkül, den Fall nun vor das Oberste Gericht der USA zu bringen, geht nicht auf. Der Supreme Court des Staates Tennessee erklärt das Urteil wegen eines Formfehlers
für ungültig. Die Kläger sind gewarnt und lassen ihre Klage fallen. So kommt es, dass erst 1968 der Supreme Court in Washington Gesetze wie das in Tennessee für ungültig erklärt: Evolution gehört in den naturwissenschaftlichen Unterricht wie das Sonnensystem oder das Periodensystem der chemischen Elemente. Die Evolutionslehre aber ist in der Zwischenzeit bis zu dem Urteil aus vielen Biologiebüchern ersatzlos gestrichen worden - was die hohe Zahl der Antidarwinisten in den USA verständlicher macht.
Die amerikanischen Kreationisten legen nach. Ihre Strategie, die sie bis heute verfolgen, zielt nun darauf ab, die Schöpfungsgeschichte gleichberechtigt neben die Evolution auf den Lehrplan für Biologie zu setzen, einen überlieferten Mythos neben eine wissenschaftliche Theorie. Arkansas und Louisiana erlassen entsprechende Bestimmungen, die das Oberste Gericht der USA erst 1987 gegen die Empfehlung von Präsident Reagan kassiert. Dieses Urteil bestimmt nach wie vor die Rechtslage.
Doch die Kreationisten geben sich nicht geschlagen. Vielmehr schwenken sie jetzt auf eine raffinierte Taktik um: Sie rücken vom plumpen Beharren auf vorsintflutlichen Motiven ab, graben Paleys Konzept des »Intelligent Design« (ID) aus und erwecken es im Kleid moderner Wissenschaft wieder zum Leben. Sie suggerieren einem naturwissenschaftlich ungebildeten Publikum, die Evolutionstheorie habe unkorrigierbare Schwächen und sei deshalb falsch. Allein diese angebliche Falschheit wird zum Beweis der einzig möglichen Alternative angeführt. Hauptargumente sind bis heute die große Unwahrscheinlichkeit im vielfältigen Zufallsprozess und das Fehlen von tauglichen Zwischenstufen - Fragen, die auch schon Darwin beschäftigt haben.
Kein Wissenschaftler behauptet, dass die Evolutionstheorie alle Fragen beantworten kann. Doch seit Darwin sein Werk vorgelegt hat, sind Lücken nur geschlossen worden, keine neue hat sich aufgetan. So bruchstückhaft das Verständnis des Genoms zum Beispiel noch ist, jede neue Erkenntnis macht die Darwin’sche Evolutionslehre plausibler, nicht umgekehrt. Jeder Wissenschaftler würde auch unterschreiben, dass Darwins Theorie »nur« eine Theorie ist, die sich widerlegen - falsifizieren - oder durch eine bessere ersetzen ließe. Aber bis heute ist weder der Ansatz einer alternativen Theorie noch die geringste
Spur eines Gegenbeweises aufgetaucht, auch wenn die Neokreationisten genau das unterstellen.
Ihr pseudowissenschaftlicher Kreuzzug zur Rettung göttlicher Vorsehung lässt sich am besten soziologisch deuten: Es geht nicht um Glaube oder Nichtglaube, sondern um Macht und Einfluss. Dahinter stehen erzkonservative Kreise mit streng patriarchalischen Strukturen, die ihren Traum vom amerikanischen Gottesstaat verwirklichen wollen, sowie Abtreibungsgegner und Verfechter jungfräulich geschlossener Ehen. Dass Moral ein Naturprodukt sein kann, das in der Kultur seinen Ausdruck findet, erscheint ihnen als Teufelswerk.
Da werden sogenannte Forschungseinrichtungen mit wohlklingenden Namen wie »Institute for Creation Research« oder »Discovery Institute« gegründet, in denen »echte« Wissenschaftler auf der Gehaltsliste stehen. Irgendein promovierter Biologe wird sich schon finden, der sich für
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