Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
vom Hotel zum Golfplatz bringen lassen. Nach den Plänen von Regierung und Wirtschaft soll die Gästezahl sich verdoppeln. Das Straßennetz ist jetzt schon hoffnungslos überlastet. Staus gehören zum Alltag. Die Regierung setzt wegen der verbreiteten Englischkenntnisse zudem auf die Strategie »Cyber Island«. In den Zeitungen tauchen Worte der Globalökonomie auf. Onlineservices und Callcenter sollen das Land für das Outsourcing von Dienstleistungen aus Hochlohnländern attraktiv machen.
Südlich von Port Louis wächst eine »Cyber City« aus dem Vulkanboden. Ein Teil der Türme und Bürokomplexe ist bereits fertig und bezogen. Verwechselbare internationale Einheitsarchitektur, wie inzwischen überall auf der Welt zu finden. Mittags treffen sich Büroangestellte zum Fast Food bei »Meals of the World«. Selfservice in allen Geschmacksrichtungen. Ein Großteil der Menschheit träumt davon, so leben zu dürfen, in der Vorhersagbarkeit der globalen Mittelklasse von Suburbia. Mit Job und Auto, Einbauküche und Home Entertainment.
Von hier sind es fünfzehn Minuten bis in die Dritte Welt. Im Landesinnern drängen sich die Leute in winzigen Unterkünften. Die Bevölkerungsdichte ist fast doppelt so hoch wie in Indien. Wer sich ein eigenes Haus leisten kann, gilt fast schon als reich. Jeder freie Quadratmeter wird landwirtschaftlich genutzt. Zuckerrohr, so weit das Auge reicht - auf neun Zehntel aller Anbauflächen. Ein Großteil wird künstlich bewässert. Die Haushalte haben nur ein paar Stunden Leitungswasser am Tag. In den Hotels ist von der Knappheit nichts zu bemerken.
Der heimwehkranke Darwin spürt erstmals wieder die Nähe der Heimat. Auch sahen wir zu unserer Überraschung große Buchhandlungen mit gut gefüllten Regalen - Musik und Lektüre künden davon, dass wir uns der alten Welt der Zivilisation nähern. Er vergleicht die Insel mit den zahlreichen bekannten Beschreibungen ihrer schönen Landschaft. … Die abfallende Ebene der pamplemousses , mit Häusern durchsetzt und von den großen Feldern mit Zuckerrohr hellgrün gefärbt, bildete den Vordergrund. Dahinter zeichnen sich die gezackten Konturen der zentralen Gipfel ab. Die ganze Insel … war mit vollkommener Eleganz geschmückt: Die Landschaft erschien dem Blick, wenn ich einen solchen Ausdruck gebrauchen darf, harmonisch. Auch Monokulturen haben ihre Ästhetik, wenn sie sich wie dicke grüne Teppiche über Hügel und durch Täler ziehen.
Wieder so ein Bild von der Zukunft der Menschheit, wenn sie einmal neun oder zwölf Milliarden ernähren will. Natur à la Niederlande. Das gesamte verfügbare Land wird produktiv genutzt, der Luxus unberührter Landschaften auf ein paar repräsentative Naturparks reduziert - so wie in Westeuropa oder Nordamerika seit Langem. Felder stehen indes nicht mehr automatisch für Nahrungsmittel. Mit steigenden Preisen für Rohöl lohnt sich vermehrt die Umwandlung
in Biosprit. Melasse aus der Zuckerproduktion wird bereits vergoren. Biogaskraftwerke für die heimische Stromproduktion sind geplant.
Die Zuckerindustrie betreibt ein Forschungsinstitut auf einem gepflegten Campus im Landesinnern bei Réduit. Der Entwicklungsstand eines Landes zeigt sich auch darin, in welche Positionen Frauen vorgedrungen sind. Die Chefin der Abteilung Biotechnologie heißt Asha Dookun-Saumtally. Sie stammt aus einer indischen Familie, hat in England studiert und Großes im Sinn. »Diese Erntepflanze hat noch viel Potenzial.« Sie spricht von genetischer Transformation, will dem Zuckerrohr fremde Gene einpflanzen, es ergiebiger machen und beständiger gegen Trockenheit, wenn ihr die Gesetzgeber endlich grünes Licht geben. Neben künstlicher Auslese, wie Darwin sie als Vorbild der natürlichen sah, setzen Pflanzenzüchter vermehrt auf Manipulation des Erbguts ihrer Gewächse mit grüner Gentechnik.
Das Wort »Herbizidresistenz« geht Frau Dookun-Saumtally von den Lippen, als handle es sich um Pflanzenkosmetik. Dahinter steckt die knallharte Logik von Basta oder Roundup. So heißen Totalherbizide, die alles töten außer den Nutzpflanzen, die durch Gentransfer davor gefeit sind. Die perfekte Lösung aus dem Hause Homo faber. Monokultur total. Saubere Produkte von Leichenfeldern. Die DNA-Abschnitte mit der Basta-Resistenz bezieht die Biologin von Kollegen in den USA. Das Gift stammt aus den Küchen der Agrarindustrie. Für das eine zahlen die Landwirte Lizenzgebühren, für das andere Ladenpreise. Die Macht des Wissens über Patente
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