Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
erhält im 21. Jahrhundert das Gefälle zwischen Erster und Dritter Welt. Die Software des Lebens als Rohstoff der Zukunft.
Die Pflanzen werden so verändert, dass Bauern ihr Saatgut kaufen müssen, statt es selber von der Ernte abzuzweigen. Damit geraten sie nach Einführung von Kunstdünger und Pestiziden noch stärker in die Abhängigkeit von großen internationalen Konzernen. Und das, obwohl sich heute mit klassischer Zucht durch moderne Methoden wie dem »Marker Assisted Breeding« - da werden DNA-Daten zur Selektion genutzt - in der Regel sehr viel effektiver und vor allem ungefährlicher neue Sorten herstellen lassen.
Genmanipulierte Pflanzen, in meiner Jugend Utopie, gehören
heute zur globalen Realität. Ihre Erzeugnisse werden gegessen, verarbeitet, verfüttert, vergoren. Dieser Geist ist längst aus der Flasche. Im Bereich der Nutzpflanzen nimmt die kulturelle Evolution die biologische immer fester in den Griff. In Laboren und Gewächshäusern schafft intelligentes Biodesign optimiertes Leben. Nichts außer fehlendem Kapital kann die Forschung aufhalten. Keine Ethikkommission steht im Weg. Pflanzen erzeugen weder Mitleid noch Angst. Als lebendige Automaten ihrer Erbanlagen lassen sie sich im genetischen Baukastenverfahren umbauen. Unerwünschte Nebenwirkungen unwichtig.
Dabei haben Grundlagenforscher in den vergangenen Jahren gezeigt, wie komplex und weitgehend unverstanden die Genome von Pflanzen sind. Industriewissenschaftler, die dennoch das Erbgut von Nutzpflanzen manipulieren und ihre Erzeugnisse in die »freie« Natur bringen, wissen streng genommen nicht, was sie tun.
Hauptsache, die Leistung ist gesteigert, die Widerstandskraft gegen Pestizide, Kälte, Trockenheit und Krankheit vordergründig erhöht. Da geht es dem Getreide nicht besser als dem Vieh, das es frisst. Und am Ende auch nicht der Spitze der Nahrungspyramide: Die Menschheit wird mehr und mehr Lebensmittel zu sich nehmen, bei deren Erzeugung Genmanipulation im Spiel war. Wer sich den Luxus von Produkten aus traditionell-ökologischem Anbau nicht leisten kann, wird damit zur Versuchsperson in einem gigantischen Freilandexperiment.
Gene, auch »lebendige«, sind an sich nicht gefährlich. Als DNA-Moleküle kommen sie in allem vor, was wir zu uns nehmen. Damit haben wir und alle Mitgeschöpfe so gut zu leben gelernt, dass uns DNA in der Nahrung in der Regel nicht schadet. Doch was wir essen und trinken, gehört uns nicht allein. Wir teilen alles mit einer Gemeinschaft aus Mikroorganismen in unseren Bäuchen, der Darmflora. Sie bilden so etwas wie ein eigenes Organ, mit dem wir seit Urzeiten in Symbiose leben.
Die Darmflora ist Teil des Individuums. Jeder hat eine andere. Sie entscheidet über die Verwertung der Nahrung, über Gesundheit und Befindlichkeit. Auf jedem Evolutionsschritt hat sie uns begleitet, alle Umstellungen der Nahrung mitgemacht, teilweise auch erst ermöglicht. Aber niemand weiß, wie sie mit Genen in der Nahrung umgeht,
die sie im Verlauf der Ko-Evolution nicht kennengelernt hat. Als Partner des Organismus ist sie so unerforscht wie die Tiefsee als Teil der Weltmeere.
Schätzungen sprechen von 36 000 unterschiedlichen Spezies von Bakterien, aber auch höheren Lebewesen mit echtem Zellkern im Darm. Es gibt nicht einmal ein grobes Bild der Zusammenhänge in diesem gewaltigen Ökosystem, in dem es auch zum direkten Austausch von Genen zwischen Organismen kommt. Was passiert im Darm mit Virusbestandteilen oder Resistenzgenen aus der Nahrung? Können sie das mikrobielle Gefüge stören, die Verdauung verändern, das Immunsystem schwächen? Nicht die plötzliche Katastrophe wie bei der Atomenergie wäre der GAU der grünen Gentechnik, sondern die schleichende Verbreitung, für die sich später kein Verursacher ermitteln lässt.
Dazu kommt die weitgehende Unkenntnis möglicher Auswirkungen durch genveränderte Pflanzen im Freiland. Berühmt geworden ist der Fall eines Toxins aus dem Bakterium BACILLUS THURINGIENSIS, das Nutzpflanzen gegen Schädlinge schützt. Mais, Baumwolle oder Kartoffeln mit dem zuständigen Gen werden seit Langem im großen Stil angebaut. Bis jetzt sind keine schwerwiegenden Unfälle bekannt. Gerät das Toxin jedoch mit Pollen als Überträger auf Seidenpflanzen, kann es die Raupen der Monarchfalter töten, die sich von deren Blättern ernähren. Solche an sich kleinen Ursachen können über biologische Kettenreaktionen große Auswirkungen auf ganze Ökosysteme haben. Durch Hybridbildung zwischen
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