Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Weltgeschichte gespielt haben wie diese niedrigen Kreaturen. Darwin besucht die Monolithen von Stonehenge - aber nicht, um sich näher mit dem Menschenwerk zu befassen, sondern um die Wirkung der Würmer auf dessen Versinken näher zu untersuchen. Ich bin zu einer Art Maschine zur Beobachtung von Fakten und zur Erzeugung von Schlussfolgerungen geworden. Auf einem Fragebogen seines Halbcousins Francis Galton für ein Buch über englische Geistesgrößen liefert er ein aufschlussreiches Selbstporträt:
    Politik? - Liberal oder radikal.
    Gesundheit? - Gut in der Jugend - schlecht in den letzten 33 Jahren.
    Temperament? - Ein wenig nervös.
    Körperenergie? - Energie durch viel Aktivität gezeigt, und während ich gesund war, Kraft, Müdigkeit zu widerstehen … Ein Frühaufsteher am Morgen.
    Geistesenergie? - Bewiesen durch rigorose und lang anhaltende Arbeit am selben Subjekt, wie 20 Jahre am »Origin of Species« und 9 Jahre an den Cirripedia.
    Gedächtnis? - Gedächtnis sehr schlecht für Daten und fürs Auswendiglernen; aber gut, eine allgemeine oder vage Erinnerung vieler Fakten zu bewahren.
    Fleiß? - Sehr fleißig, aber keine großen Fertigkeiten.
    Unabhängigkeit des Urteils? - Ich denke, ziemlich unabhängig; aber ich kann keine Beispiele geben. Ich habe den allgemeinen religiösen Glauben fast unabhängig von meinen eigenen Gedanken aufgegeben.
    Auffällige mentale Besonderheiten? - Durchhaltevermögen, große Neugier auf Fakten und ihre Bedeutung. Ziemliche Liebe zum Neuen und Wunderbaren.
    Besondere Talente? - Keine, außer fürs Geschäft, wie sich bei der Kontoführung zeigt, bei Antworten auf Korrespondenz und dem Investieren von Geld. Sehr methodisch in allen meinen Gewohnheiten .

    Allein mit seinen Büchern erzielt Darwin Einnahmen von umgerechnet einer Dreiviertelmillion Euro. Insgesamt hat er am Lebensende sein Vermögen auf heutige zwanzig Millionen Euro vermehrt. Auf die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit antwortet er: Nominell zur Kirche von England .
    Im Frühjahr 1876 kommt von Sohn Francis (»Frank«) die freudige Nachricht, Ehefrau Amy sei im fünften Monat schwanger. In Erwartung der übernächsten Generation beschließt Darwin Ende Mai, seinen Nachfahren ein schriftliches Selbstzeugnis zu hinterlassen. Rein privat natürlich. Seine Kinder haben die Autobiografie nach seinem Tod dennoch publiziert. Heute kann sie jeder frei im Internet lesen.
    Ich habe versucht, die folgende Schilderung über mich so zu schreiben, als wäre ich ein Verstorbener in einer anderen Welt, der zurück auf sein eigenes Leben sähe. Als Motiv seines Schreibens nennt er, dass es mich in hohem Grade interessiert haben würde, wenn ich auch nur eine so kurze und langweilige Skizze vom Geiste meines Großvaters, von ihm selbst geschrieben, hätte lesen können.
    Die eigene Mutter wird nur einmal in ihrem Tod erwähnt, sonst kein Wort über sie und ihre Familie. Schwester Caroline als erste Lehrerin ist in seiner Darstellung ebenso an ihm gescheitert wie Schule, Internat und zwei Universitäten. Mentor Henslow wird überschwänglich gelobt, ansonsten hat sich der Autor mehr oder weniger alles selbst zu verdanken. Nicht einmal die Hauptperson in dem Stück, sein Vater, hat ihm mehr mitgegeben als seine Gene. Ich glaube nicht, dass ich intellektuell viel durch ihn gewonnen habe.
    Als sei er an den Erzeuger statt an die Nachfahren gerichtet, liest sich der Text als eine einzige lange Argumentation mit der Botschaft: Schau an, was ich aus mir gemacht habe. Keine Selbstzweifel oder -kritik, außer bei den Jugendsünden, kein Blick in die eigene Seele. Wie ein distanzierter Beobachter beschreibt er einen Erdenbewohner namens Charles Darwin, dessen Existenz vor allem seiner Berufung dient. Meine hauptsächlichste Freude und meine alleinige Beschäftigung während meines ganzen Lebens ist wissenschaftliches Arbeiten gewesen. … Aus meinem übrigen Leben habe ich daher nichts mehr zu berichten, mit Ausnahme der Veröffentlichung meiner verschiedenen Bücher.
    Einzig die eigene Familie entlockt ihm ein paar persönliche Zeilen. Emma ist mein größtes Glück. … Sie war mir während meines Lebens … ein
weiser Ratgeber und heiterer Tröster. Für die inzwischen längst erwachsenen Kinder fällt er sogar in einen anderen Ton und spricht sie direkt an: Als ihr noch ganz klein wart, spielte ich sehr gerne mit euch, und ich denke mit Wehmut daran, dass diese Tage niemals wiederkehren werden. Als Einzige wird Annie