Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
friedlichen Gemeinschaft zu dienen, die umgekehrt jedem ein Leben in Würde erlaubt? Die Mehrheit der Menschen, könnte sie frei entscheiden, würde das wohl unterschreiben.
Zu den seltsamsten Resultaten meiner Reise gehört eine optimistischere Sicht auf die Zukunft meiner Spezies als vor meiner Abfahrt. Vielleicht liegt es auch nur an einer Erfahrung, die ich mit meinem berühmten Reisebegleiter teile: wie viele wahrhaftig gutherzige Menschen
es gibt, mit denen [der Reisende] nie zuvor Kontakt hatte, auch nie mehr wieder haben wird, und die dennoch bereit sind, ihm die uneigennützigste Hilfe zu gewähren. Die überwältigende Mehrheit dieser Gastfreunde, wo ich auch hingekommen bin, strebt in dieselbe Richtung: Gesundheit, sicherer Nachwuchs, Unversehrtheit, langes Leben. Wenn sich diese Kräfte stärker bündeln ließen, statt sie gegeneinander arbeiten zu lassen, könnte die Menschheit ungeahnte Gipfel erreichen - auch ohne Eigenzucht und Eingriff in die Gene.
So schnell, wie sich die Welt allein in meiner Lebenszeit gewandelt hat, wie die Menscheinheit zusammenwächst, wie sich kulturelle Errungenschaften durchsetzen, wie von einer Generation zur nächsten durch Bürgerechte, Bildung und Förderung ein neuer Menschenschlag entstehen kann, wie die Zahl der Weltbürger mit globaler Perspektive wächst, so schnell kann sich auch ein planetares Bewusstsein herausbilden, das den gleichen Überlebensregeln folgt wie der Einzelne. Saubere Energie, kalte Verbrennung, Kreislaufwirtschaft - die Natur macht es uns vor.
Nur wir können uns eine ferne Zukunft ausmalen und ihr entgegengehen. Nur wir haben die Chance, kommende Katastrophen vorherzusehen und zu verhindern. Nur wir kennen Vision und Utopie - die wahren Triebkräfte der kulturellen Evolution. Wir haben gelernt, dass Horizonte erreichbar sind. Wenn man allein bedenkt, wie weit zumindest in demokratischen Gesellschaften die - kulturelle - Gleichberechtigung der Geschlechter trotz ihrer biologischen Unterschiede in wenigen Jahrzehnten gediehen ist, dann werden Utopien zu Keimen erlebbarer Wirklichkeit.
Kapitän Greentree auf der St. Helena findet mit seinen vierunddreißig Jahren nichts dabei, beim nächtlichen Schichtwechsel Steuer und Verantwortung einer zehn Jahre jüngeren Frau zu überlassen. Für die Zweite Offizierin Rezalia Gouvias war es schon völlig normal, nach der Schule auf die Kadettenanstalt zu gehen und die Kapitänslaufbahn einzuschlagen. Beim derzeitigen Bedarf an Schiffsführern kann sie wie Margrith Ettlin auf der Bremen davon ausgehen, in wenigen Jahren in eigener Verantwortung auf der Brücke das Sagen zu haben. Als sie - in Südafrika hinter den Mauern der Apartheid - auf die Welt kam, erschien das der Generation ihrer Eltern völlig utopisch. Überdies sei sie »coloured«, sagt die Uniformierte mit dem Mädchenlächeln
so selbstbewusst wie selbstverständlich, irgendwo zwischen indisch und schwarzafrikanisch. »Das Leben hat mir eine Chance gegeben, und ich habe sie genutzt.«
Die Fahrt verläuft ruhig, der frische Passat steht uns im Rücken, auf der gesamten Strecke begegnen wir nur einem einzigen anderen Schiff, einem Fischtrawler in der Ferne. Ich verbringe die meiste Zeit auf dem Achterdeck und schaue der Spur nach, die unser Schiff in den Südatlantik zeichnet. Aus der Luft sieht das nicht anders aus als umgekehrt der Kondensstreifen eines Flugzeugs am Himmel. Hier unten aber, zwischen Afrika und Südamerika, ist kein einziger zu sehen.
Warum nicht hier enden, im einsamen Südmeer, wo der Mensch auf einer schwimmenden Insel über die Elemente triumphiert? Weil noch ein letzter Bezugspunkt wartet, ein Eiland wie eine Haltestelle im All. Wer schon einmal eine Vulkaninsel in einem ariden Klima gesehen hat, wird sich das Erscheinungsbild von Ascension sogleich ausmalen können. … Um das trostlose Bild zu vervollständigen, werden die schwarzen Felsen an der Küste von einem wilden, aufgewühlten Meer gepeitscht.
So in etwa habe ich mir als Kind eine menschliche Siedlung auf einem fernen Planeten vorgestellt. Die einzigen Bewohner sind Seesoldaten und einige von Sklavenschiffen befreite Neger, die von der Regierung bezahlt und mit Proviant versorgt werden. Es gibt auf der Insel keine Privatperson. Daran hat sich nichts geändert. Das britische Militär betreibt auf Ascension den für die Saints nächsten erreichbaren Flughafen, der auch die Falklands bedient. Daneben unterhält die BBC eine gewaltige Sendestation für ihren
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