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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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analysieren. Damit stünde sie in einer Reihe mit nur wenigen Pflanzenarten, deren Genom der Analyse bislang als würdig empfunden worden ist.
    Die Kraft der Art hat sich womöglich erschöpft. Sie ist zu schwach, um Nachkommen hervorzubringen. Ein Blatt nach dem anderen neigt sich seinem Ende zu, ohne durch frisches Grün ersetzt zu werden. Ein trauriger Anblick. Und doch gehört genau dieser Vorgang nach Darwin zur Evolution wie die Entstehung neuer Arten. Entstehen und Vergehen halten sich über die Gesamtzeit des Lebens auf der Erde sogar fast die Waage: Schätzungsweise 99,99 Prozent aller je entstandenen Spezies sind irgendwann wieder ausgestorben.

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    Rio de Janeiro

    Copacabana · Sexuelle Selektion · Besuch in einer Favela · Das Prinzip Ko-Evolution · Leben will leben · Die Bibliothek der Papiersammler
     
     
    Wen Rio kalt lässt, der hat kein Herz im Leib. Kaum eine Stadt, die einen so hin- und herreißen kann wie die grausame Schöne unterm Zuckerhut. Alltagserotik und -neurotik, vergitterte Fenster, Jäger, Gejagte, Angriff und Parade, Räuber- und Beuteverhalten. Die Menschen haben die Wildnis der früheren Urwälder überwunden, deren Regelwerk und berstende Extreme aber nicht. Es herrscht das Gesetz des Dschungels, Revierkämpfe und Rivalitäten, fressen oder gefressen werden, verführen oder sich verführen lassen.
    Permanenter Bürgerkrieg in Form zermürbender Kriminalität hat dem alten Klassen-Rubikon ein neues Bett gezeichnet - survival of the richest, aber nur hinter Panzerglas, Stacheldraht und Alarmsystem. Die Gewohnheit, ein Messer mitzuführen, ist allgemein verbreitet , beobachtet Darwin. Dass Morde so häufig vorkommen, mag teilweise dieser Gewohnheit zugerechnet werden . Das Stück läuft schon länger auf dieser Bühne, in jener verflucht einzigartigen Weltstadt, die nicht nur Stefan Zweig die schönste nannte, unter Jesus erhobenen Armen, zwischen Villensiedlungen und Favelas, Müllhalden und blütenweißen Stränden, bewaldeten Hügeln und steil aufragenden Felsen.
    In manchen Momenten habe ich Darwin um seine Erlebnisse und seine Zeit beneidet. Etwa um den Abend des 4. April 1832, als die kleine Beagle wunderbar stilvoll in den Hafen von Rio einläuft. Bei sanftem Wind fuhren wir erst nach dem Dinner unter dem Zuckerhut vorüber: Ständig sich wandelnde Aussichten auf die Berge belebten unser gemächliches Aufkreuzen; mal in weiße Wolken gehüllt, mal von der Sonne beschienen, zeigten sich die wilden, steinernen Gipfel in immer neuen Bildern. Mein Weg führt vom Aeroporto Internacional über eine Schnellstraße ins Zentrum. Der
Fahrer nutzt die Tour, um mich auf Gefahrenschwerpunkte hinzuweisen. Nur das nötigste Kleingeld dabeihaben, Taschen gut festhalten, immer wissen, wer hinter einem geht, der ganze übliche Katalog. Ab zehn Uhr abends hält kein Auto mehr an einer roten Ampel. Da lauern Gangster, die auch schon mal abdrücken. Zwischen Flughafen und Innenstadt liegt wie ein Nadelöhr ein Tunnel, den jeder Ankommende und Abreisende passieren muss. Den blockieren die Banden gelegentlich, rauben mit vorgehaltener Maschinenpistole jedes Auto aus und sind verschwunden, bevor die Polizei alarmiert ist. Dreimal schon in diesem Monat.
    Man kann die Stadt auf zwei Weisen erkunden: mit oder ohne Schutzengel. Darwin reist meist bewaffnet in der Obhut ortskundiger Begleiter. Die Gefahr durch Menschen wird ihm nur anekdotisch bekannt. Er selbst erlebt keinen einzigen bedrohlichen Zwischenfall - außer einem kurzen Fieberschub und einer kleinen Entzündung am Arm. An dieser Front drohen die wirklichen Gefahren: Drei Männer der Beagle-Besatzung erkranken in Rio an Malaria und sterben. Darwin vermutet als Ursache die reine Atmosphäre , in die man nach längerem Aufenthalt im Urwald zurückkehrt. Von Krankheitserregern und ihrem Anteil am Survival of the fittest ahnt damals noch kaum jemand etwas.
    Mein Schutzengel heißt Florian Pfeiffer, ein ausgezeichneter Kameramann, unter anderem Träger des Grimme-Preises. Der Brasilianer deutscher Abstammung hat ein paar Jahre in Hamburg gelebt, bevor es ihn wieder in das Brodeln seiner Heimat zog. Und die will er mir zeigen, in allen Schattierungen, vom Rampenlicht der Reichenwelt am Laufsteg der schönen Körper über den Dämmerschein musikberstender Discos und bierstinkender Hurenbars bis in die dunkelsten Ecken der Elendssiedlungen und Favelas.
    Im Stadtteil Copacabana hat er mir ein Hotel empfohlen, das kein Reiseführer kennt - eines jener

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