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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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entwickelt, obwohl sie damit Fressfeinde anlocken. Der evolutionäre Vorteil der sexuellen Selektion muss so groß sein, dass Nachteile durch hinderliches Schmuckwerk oder gefährlich auffälliges Aussehen ausgeglichen werden.
    Der Vorteil von Sexualität liegt deutlich auf der Hand: Zweigeschlechtlich und genetisch unterschiedliche Partner bringen ihr Erbmaterial zusammen, mischen es durch »Rekombination« und verteilen es in immer neuen Zusammenstellungen auf ihre Nachkommen. Durch die »Erfindung« der Sexualität hat sich die Evolution selbst auf eine völlig neue Qualitätsstufe gehievt. Jedes sexuell entstandene Lebewesen, mit Ausnahme eineiiger Zwillinge, unterscheidet sich genetisch
von allen anderen, die jemals gelebt haben oder noch leben werden. Unterschiedliche Individuen liefern Selektion und Evolution das »Spielmaterial«. Manche Kombinationen setzen sich eher durch als andere. Erbanlagen, die Organismen erfolgreicher machen, können sich in einer Population ausbreiten.
    Wie die geschlechtliche Auslese entstanden ist und welche tiefere Bedeutung sie hat, ist umstritten. Da sie im gesamten Tierreich verbreitet ist (wenn auch bei Weitem nicht bei jeder Spezies), gilt für sie dieselbe Regel wie für fast alle Eigenschaften und Merkmale: Sie hat sich durchgesetzt, also muss sie Vorteile haben. Da ästhetische Präferenzen vererbt werden, sind auch sie als Instinkte im Erbgut verankert. Genau wie die Erbanlagen, die attraktives Aussehen garantieren, werden die Vorlieben von Generation zu Generation weitergegeben. Die eine treibt die Evolution der anderen voran.
    Bei Tieren verrät ein anziehendes Äußeres oft innere Abwehrkräfte gegen Erreger und schädliche Parasiten. Jeder Tierhalter kennt den Wert von glänzendem Fell und leuchtenden Augen. Die sexuelle Auslese dient daher womöglich mehr der Gesundheit der Nachkommen, als sich im menschlichen Sinn nach Schönheit auszurichten. Nicht anders als unsere tierischen Verwandten reagieren auch wir Menschen nach angeborenen Mustern auf bestimmte Symbole und Signale. Frauen fühlen sich von symmetrisch gebauten Männern eher angezogen. Guter Bau steht für gutes Erbgut. Männer auf der ganzen Welt bevorzugen umgekehrt bei Frauen das gleiche Verhältnis von Taille zu Hüfte: 0,72 oder Cola-Flasche. Signal: Gebärfreudigkeit.
    An wohl kaum einem Ort werden diese Instinkte so geweckt wie an den Stränden, von denen aus Bikini und Tanga die Welt erobert haben. Auch wenn die Gleichung »Schönheit zeigt Gesundheit« längst zum Relikt verkümmert ist: Da zieht etwas die Fäden, das stärker ist als besseres Wissen. Brüste, Hintern, Beine, aufgestellte Fersen, straffe Waden, roter Lippenschwung, kleine Nasen, große Kinderaugen - schon rauschen die Hormone.
    Wie ein Relikt aus der Evolution präsentieren die Geschlechter ihre Reize, ob instinktiv oder von Marktforschung geformt, indem sie sich der Biologie der anderen bedienen und sie in deren Unterbewusstsein arbeiten lassen. Da wird auf einer Klaviatur gespielt, die tief in uns den Ton angibt. Da werden Register gezogen, gegen die wir uns nicht
wehren können, obwohl wir sie kennen. Da sprechen Instinkte miteinander, deren Wirken man zwar nicht bewusst verstehen kann wie einen Satz, aber bewusst spüren. Da erzeugen Reize Resonanzen als Echo unserer biologischen Vergangenheit, weil jeder noch in seinem Körper den unauslöschlichen Stempel eines niederen Ursprungs trägt . Mit diesen Worten wird Darwin sein 1871 vollendetes Werk über »Die Abstammung des Menschen« beenden, das er zur Hälfte der sexuellen Selektion widmet.
    In dem Buch geht er so weit, die Entwicklung unterschiedlicher Menschenrassen der »geschlechtlichen Zuchtwahl« zuzuschreiben. Demnach hätten Schweden blondes Haar, Japaner Schlitzaugen oder Afrikaner breite Nasen, weil sie diese Merkmale wegen ihrer Vorlieben seit Urzeiten bei der Paarbildung immer wieder bevorzugt hätten. Heute wissen wir, dass an der Ausprägung äußerlich sichtbarer, innerlich (genetisch) aber kaum bedeutsamer Unterschiede zwischen Schwarz, Rot, Gelb und Weiß eine Reihe anderer Faktoren zumindest beteiligt waren: klimatische Bedingungen etwa, Seuchen, die Art der Ernährung - und auch der pure Zufall. Gleichzeitig hat sich, seit wir uns schmücken und verschönern, die ästhetische von der biologischen Evolution entfernt und in den Völkern verselbständigt. Das unter anderem nennen wir Kultur.
    Schönheitsideale sind biologisch und kulturell bedingt, mehr noch,

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