Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
als die ungewöhnlichsten Objekte in diesen großartigen Szenerien beeindruckt haben. Tagelang reitet Darwin durch riesige dunkle Wälder, wo heute kaum ein Bäumchen seinen Schatten auf eine Blechhütte wirft. Und wo längst achtspurige Straßen zwischen Hochhäusern und aufgeschütteter Wasserkante verlaufen, findet er Korallen und andere Wirbellose am einsamen Strand.
Er sammelt Spinnen und Plattwürmer, schießt Vögel, fängt Reptilien, untersucht Leuchtkäfer und Glühwürmchen, vergleicht sie mit englischen Spezies und macht eine interessante Entdeckung: Sie verströmen die gleiche Art von Licht … von einer markanten grünen Farbe . Er findet heraus, dass das Tier - ein Leuchtkäfer namens LAMPYRIS OCCIDENTALIS - nur über die Fähigkeit verfügt, das Licht für kurze Intervalle zu verbergen oder auszulöschen, und dass die Entfaltung ansonsten unwillkürlich geschieht . Wie recht er damit hat, konnte die Biochemie bestätigen. Heute kennen wir den Vorgang, die Reaktion einer »Luciferase«, die unter Verbrauch von Energie das Leuchten auslöst. Die Tiere können das Enzym blockieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Dann erlischt das Licht für kurze Zeit.
Noch staunt Darwin mit den Augen des Kreationisten. Als treuer Christ glaubt er an die Erschaffung jeder einzelnen Art, bestens angepasst an ihre Umwelt, aus der Hand Gottes. Dass so etwas wie ein Glühwürmchen durch unzählige Einzelschritte entstehen könnte, kann auch er sich in diesem Moment nicht vorstellen. Noch bewundert er das Durcheinander im Dschungel mehr, als das Mit- und Gegeneinander der Organismen zu verstehen. Die Vielfalt erschlägt ihn geradezu.
Betrachtet man den Wald mit Darwins Augen, wie sie ihm später die Welt zeigen, so finden sich auf jedem Flecken Beispiele für eines der wichtigsten Prinzipien der Darwin’schen Theorie: die Ko-Evolution. Das gesamte Nahrungsnetz entwickelt sich miteinander. Die eine
Pflanze schützt sich durch Gift, die andere durch Dornen, Tiere passen sich an, die Dornen werden länger oder härter, die Tiere ziehen mit, gleichzeitig haben sie selbst Feinde, vor denen sie Abwehrmechanismen entwickeln müssen, diese wiederum passen sich ihrerseits an die Anpassung an, und so schaukeln sich zwei Partner gegenseitig hoch.
Auf der Heimfahrt stellt Florian eine Frage, die mich seit dem ersten Tag meiner Reise immer wieder beschäftigt hat: »Wofür würde sich Darwin interessieren, wenn er heute noch einmal aufbrechen würde?« Was hat er damals gesucht? Vordergründig geologische Formationen, Steine, Fossilien, Pflanzen, Tiere. Und jenseits dessen? Zusammenhänge, erst kleinere, dann immer größere, schließlich Weltzusammenhänge, Gesetze im Regelwerk der Natur. Dafür hat er gesammelt. Nicht vollständig, sondern beispielhaft. Welche Zusammenhänge würde er heute suchen?
Einer wie er würde gewiss weiterhin die großen Geheimnisse der Biologie verfolgen: Wie übersetzt sich genetische Information in ein vollständiges Lebewesen, in dem zigmilliarden Zellen perfekt zusammenarbeiten? Wie funktioniert der Überlebenstrieb, der so alt ist wie das Leben selbst? In allen brennt dieselbe Flamme. Und jeder versucht, sie so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Das teilen wir mit allen Wesen, von den ersten Organismen an. Leben will leben. Aber was treibt es an? Was uns? Ein Plan? Ein Ziel?
Darwin weiß darauf keine Antwort. Die romantische Idee einer geheimnisvollen Lebenskraft, einer »vis vitalis«, hat die rationale Wissenschaft verworfen. Man kann Leben auch ohne sie verstehen. Alles geht mit rechten Dingen zu, im Rahmen der bekannten Physik und Chemie. Aber was ist es dann? Eine gigantische Maschine, die Algorithmen abarbeitet? Und wenn wir sie je ermitteln könnten, wüssten wir dann, warum wir sind? Was ist es, das uns jeden Morgen aufstehen lässt, essen, trinken, unser Pensum erledigen? Was bringt uns dazu, uns zu vermehren? Wozu Nachkommen, wenn die doch wieder nur das Gleiche tun und Nachkommen hervorbringen?
Ernst Bloch spricht vom Prinzip Hoffnung. Aber haben Hamster Hoffnung? Oder Seegurken, Fadenwürmer, Bazillen? Was lässt den Frosch im Glas bis zum Letzten kämpfen? Oder die Fliege am Honigstreifen? Jeder kennt es, jeder fühlt es, aber keiner kann es erklären.
Das tiefe Rätsel hinter der Evolution, neben der Entstehung der Welt vermutlich das größte überhaupt.
Vielleicht würde Darwin, nachdem er die Herkunft der erfolgreichsten aller Spezies geklärt hat, heute deren Zukunft
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