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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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interessieren. Wenn Hoffnung uns antreibt, worauf richtet sie sich? Haben wir ein höheres Ziel, etwas, das unsere Kultur über die reine Biologie erhebt? Wie funktioniert kulturelle Evolution jenseits der biologischen? Das hätte ihn womöglich zur Frage aller Fragen geführt: Was ist der Mensch?
     
    Am Morgen meiner Abreise macht Florian auf dem Weg zum Flughafen noch einen kleinen Abstecher. Ein Recyclinghof in der Nähe der größten Mülldeponie in Duque de Caixas. Hier haben zwölf junge Leute aus den benachbarten Slums eine Organisation zur Altpapiertrennung gegründet. Der Betrieb geht in sein viertes Jahr. Richtig Geld verdient haben sie mit dem Altpapier noch nicht, aber es reicht als Zuverdienst.
    Doch während ihrer Wühlereien im Müll der Stadt haben sie etwas anderes entdeckt: Menschen werfen auch Bücher weg. Erst fischen die Mülltrenner nur einzelne Bände aus dem Dreck, säubern und bewahren sie in einer Ecke auf. Dann fällt ihnen eine Komplettausgabe von Freud in die Hände. Sie fangen an zu lesen. Gloria hat gerade einen Nietzsche zu Ende. »Deprimierend«, sagt die Zweiunddreißigjährige. Da sei ihr der portugiesische Schriftsteller Paulo Coelho lieber. Gerade mal die Grundschule hat sie zu Ende gemacht. Wie Sebastião, der wieder Machiavelli lesen will. Da verstehe man die Welt so gut.
    Als sie über tausend Bände beisammenhaben, beschließen die zwölf: »Bücher muss man teilen.« Sie eröffnen eine kleine Bibliothek, die nun stetig wächst.

5
    Uruguay

    Montevideo · Erste große Sammlung · Lamarck und andere Vorgänger Darwins · Sierra de las Animas · Maldonado · Tucutucos
     
     
    Wenn ich etwas gelernt habe auf meiner Reise, dann die Lektion, mich nicht mehr über das Wetter zu ärgern. Es kommt und es geht, es ist größer und mächtiger als ich. Kleinen Schauern kann man ausweichen, Großwetterlagen nicht. Das gilt wohl auch für das Leben.
    Es schüttet ohne Unterlass, als ich in Montevideo ankomme, der Hauptstadt Uruguays. Das ganze Land befindet sich im Zustand der Überschwemmung, … die ältesten Einwohner haben solch ein Wetter noch nie gesehen . Die Regenwolken kommen hier aus dem Osten, vom Atlantik, in den sich der Río de la Plata wälzt, eine riesige Weite trüben Wassers, die weder Erhabenheit noch Schönheit besitzt .
    Die Hauptstadt der »Schweiz Südamerikas« habe ich mir immer anders vorgestellt, eher wie Zürich oder Genf. Davon kann hier keine Rede sein. Auf eine flache Bergkuppe gesetzt, auf den »Monte«, liegt das alte Zentrum einer Stadt, die irgendwie die Zeit vergessen hat und gerade wieder aufgewacht ist. Der erste Gedanke geht nach Ostberlin ein paar Jahre nach der Wende. Montevideo ist genauso gemütlich, aber ohne den Schwung der Metropole.
    Die meisten Altbauten baufällig, ein paar renoviert und herausgeputzt wie in Pöseldorf, vereinzelt teure neue Bürohäuser, Hotels oder Kaufhäuser, dann wieder Ruinen, Baulücken, früh gealterte, gesichtslose Zweckbauten. Im neuen Zentrum viel Architektur der Fünfzigerjahre, wahre Schätze darunter, sowie ein paar betagte Prachtbauten. In der Altstadt wunderbare Antiquariate und Cafés, ein paar Galerien und Boutiquen, das restaurierte Teatro Solis von 1856, dann wieder Imbissbuden, billige Krämerläden und die jämmerlichen Pferdewagen der Müllmänner und -frauen. Und von der zentralen Avenida
18 de Julio, abfallend zum Wasser, Blöcke mit Straßen unter Palmen und Platanen, Reihen meist unrenovierter Wohnhäuser und kleiner Geschäfte aus der frühen Zeit des 20. Jahrhunderts.
    Das Erscheinungsbild des Ortes spricht nicht zu seinen Gunsten; er hat keine nennenswerte Größe; besitzt keine architektonischen Schönheiten, und die Straßen sind uneben und verdreckt. Marodes Kopfsteinpflaster, Autos aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren, die nur noch eines können: laut und stinkend fahren. Schlaglöcher, aufgebrochene Bürgersteige und eine lieblose Strandpromenade am kriechenden Fluss, den die Einheimischen hier, nahe der Mündung, »das Meer« nennen. Das gegenüberliegende Ufer, an dem zweihundert Kilometer weiter flussaufwärts das mondäne Buenos Aires liegt, ist nicht zu erkennen.
    Ärmlich, grau und trist, so wirken anfangs auch die Menschen, denen diese schmutzige Stadt gehört. Nicht die entwaffnenden Schönen von Rio, sondern eher derbe, bäuerlich rotwangige Typen, durchweg europäischer Abstammung. Das machen sie zehnmal wett durch Herz und ihre Art, mit anderen umzugehen. Offen, freundlich,

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