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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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als zwischen wildem und domestiziertem Tier insofern, als beim Menschen ein größeres Vermögen zur Verbesserung vorhanden ist.
    Sein Eindruck übertrifft sich noch, als er wenig später in den nackten, auf Kanus lebenden Ureinwohnern erstmals direkte Verwandte seiner indianischen Gefährten erblickt. Diese armen Teufel waren im Wachstum verkümmert, ihre hässlichen Gesichter mit weißer Farbe beschmiert, die Haut verdreckt und schmierig, die Stimmen misstönend und die Gebärden gewalttätig. Angesichts solcher Männer vermag man sich kaum einzureden, dass dies Mitmenschen und Bewohner ein und derselben Welt sind. Drastischer ist kaum jemandem in einem Moment demonstriert worden, welche Spannbreite die Spezies Mensch umfasst.
    Was für eine Skala der Verbesserung die Fähigkeiten eines feuerländischen Wilden und eines Sir Isaac Newton umfasst! Woher kommen diese Leute? Sind sie im gleichen Zustand geblieben seit Erschaffung der Welt? Andrerseits erkennt er, wie formbar der Mensch durch seine Umwelt ist. In nur drei Jahren hat Erziehung eine Art »Zwischenform« geschaffen, die Darwin mit den erbärmlichsten und elendigsten Wesen, die ich jemals erblickt hatte, verbindet. Zwischen sich, den »zivilisierten« und den nackten Wilden - ihr Erscheinungsbild war so fremd, dass es kaum wie das eines irdischen Bewohners war - erkennt er ein Kontinuum. Er begreift den Menschen in seiner animalischen Natur trotz seiner intellektuellen Sonderstellung als Teil der natürlichen Ordnung des Lebens.
    Allerdings versteht er die Unterschiede nicht rein kulturell als Varianten innerhalb der Spezies Mensch, sondern im Geiste seiner Zeit auch biologisch als Unterschiede zwischen Menschenrassen. Die Natur hat den Feuerländer, indem sie die Gewohnheit allmächtig und ihre Wirkungen erblich gemacht hat, an das Klima und die Erzeugnisse seines erbärmlichen Landes angepasst. Hier sieht Darwin etwas, das er bislang nur aus dem Tierreich kennt: eine Population, die sich scheinbar perfekt an ihre Umwelt adaptiert hat.
    Er geht sogar so weit, dass sich geistige Eigenschaften als Produkt des Gehirns ähnlich vererben wie körperliche und dass sich »Rassen« auch biologisch unterscheiden. In den Differenzen sieht er Beweise, dass alle zivilisierten Nationen einst barbarisch waren. Die einen, zu denen er selbst gehört, hält er für höher entwickelt, und zwar durch natürliche Zuchtwahl - jenen Prozess, an dessen Ende Nietzsche den Übermenschen
ansiedeln wird. Die anderen, glaubt Darwin fälschlicherweise, brauchen noch viele Generationen, bis sie den europäischen Entwicklungsstand erreichen können.
    Heute wissen wir, dass die genetischen Unterschiede zwischen den vermeintlichen »Menschenrassen« marginal sind. Der Begriff »Rasse«, wie ihn Züchter auf Haustiere anwenden, ergibt auf Menschen übertragen ohnehin keinen Sinn. Umso bemerkenswerter, dass der Amerikaner James Watson, Mitentdecker der Struktur des Erbmoleküls DNA, noch im Jahr 2007 den Afrikanern wegen ihrer angeblich angeborenen intellektuellen Unterlegenheit den Untergang vorhersagt. Pikanterweise hat die Analyse von Watsons eigenem Genom gezeigt, dass sechzehn Prozent seiner Gene afrikanischer Herkunft sind und er somit selbst schwarze Vorfahren hat. Obwohl einer der berühmtesten Biologen aller Zeiten, muss der Nobelpreisträger seinen Posten als Kanzler des legendären Cold Spring Harbor Laboratory auf Long Island räumen.
    So krass auch Darwin die Unterschiede zwischen den beiden Enden des Spektrums empfindet und von »Rassen« spricht - in keinem Moment hegt er Zweifel, dass er es mit Artgenossen zu tun hat. In Feuerland fragt er sich allerdings: Welcher Reiz hätte einen Menschenstamm locken, welcher Wandel ihn zwingen können, … eines der unwirtlichsten Länder auf dem Erdenkreis zu betreten .
    Die Antwort hält die Erdgeschichte bereit: Darwin ist aufgrund der Verteilung von Tieren und Pflanzen sehr versucht zu glauben, dass das Land einstmals vereint war , über Landbrücken verbunden. Das hätte freilich auch Folgen für den Menschen. Nach dem Ende der letzten Eiszeit dringen nomadische Jäger und Sammler über die trocken gefallene Beringstraße und Mittelamerika allmählich nach Süden vor. Kleine Gruppen kommen bis zur Insel Feuerland und auf die Inseln südlich des Beagle-Kanals. Als der steigende Meeresspiegel die Magellanstraße überflutet, sind sie plötzlich vom Norden abgeschnitten.
    Erstaunlich, dass die Ureinwohner überhaupt in solch

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