Das 2. Buch Des Blutes - 2
unschuldiges Lächeln zur Schau.
»Es war was unterm Bett«, beharrte Amanda.
»Jetzt zumindest ist niemand hier.«
»Aber ich hab’s deutlich gespürt.«
»Also, ich seh’ mal sonst im Haus nach«, bot er ihnen an, ohne sich sonderlich für die Aufgabe zu erwärmen. »Ihr beide bleibt hier, für alle Fälle.«
Als Polo aus dem Zimmer ging, ließ das Geyatter den Beleuchtungskörper ein bißchen stärker schaukeln.
»Die Grundmauern werden sich gesenkt haben«, sagte Gina.
Es war kalt im Erdgeschoß, und Polo hätte gern darauf verzichtet, barfuß auf den Küchenfliesen rumzutappen, aber er war insgeheim zufrieden, daß der Kampf in so kleinkarierter Manier aufgenommen worden war. Er hatte schon halb befürchtet, daß der Feind in der unmittelbaren Nähe solch zarter Opfer in Raserei geraten könne. Aber nein: Er hatte die Wesensart des Geschöpfs ganz richtig eingeschätzt. Es war eins aus den niedereren Rängen. Stark durchaus, aber schwer von Begriff. Es ließ sich sicher über die Grenzen seiner Machtbefugnis hinauslocken. Nur schön vorsichtig, sagte er sich, nur schön vorsichtig.
Er latschte durchs ganze Haus, öffnete pflichtschuldigst Schrankfächer und guckte hinter die Möbel; dann kehrte er zu seinen Töchtern zurück, die auf dem oberen Treppenabsatz saßen. Amanda sah klein und blaß aus, nicht mehr wie die zweiundzwanzigjährige Erwachsene, sondern wieder wie ein Kind.
»Nichts zu machen«, sagte er lächelnd zu ihr. »‘s ist Weihnachtsmorgen, kreuzquer durchs Haus…«
Gina reimte zu Ende: »Rührt sich rein gar nichts, nicht mal
‘neMaus.«
»Nicht mal ‘ne Maus, meine Schöne.«
In diesem Augenblick fühlte sich das Geyatter irgendwie angesprochen und schleuderte eine Vase vom Kaminsims im Wohnzimmer.
Sogar Jack zuckte zusammen. »Scheiße«, sagte er. Erbrauchte dringend etwas Schlaf, aber ganz offenkundig hatte das Geyatter keineswegs die Absicht, sie gerade jetzt in Ruhe zu lassen.
Unter Cfte-sera-serfl-Gemurmel schaufelte er die Scherben der chinesischen Vase auf und gab sie in ein Stück Zeitungspapier, »Wißt ihr, das Haus senkt sich ‘n bißchen auf der linken Seite«, sagte er lauter. »Das geht jetzt schon Jahre so.«
»Wenn es absinkt«, sagte Amanda mit ruhiger Bestimmtheit,
»wirft es mich unmöglich aus dem Bett.«
Gina sagte nichts. Die Wahlmöglichkeiten waren begrenzt. Die Alternative wenig reizvoll.
»Na, vielleicht war’s der Weihnachtsmann«, sagte Polo und probierte die frivole Masche. Er packte die Vasenscherben ein und schlenderte in die Küche rüber, in der Gewißheit, daß man ihn dabei auf Schritt und Tritt beschattete. »Was soll es sonst gewesen sein ?« fragte er leichthin über die Schulter und stopfe dabei das Zeitungspapier in den Abfalleimer. »Die einzige noch mögliche Erklärung«, hier kam er fast in Hochstimmung, so nah streifte er die Wahrheit, »die einzige noch mögliche Erklärung ist zu haarsträubend-abstrus, um sie auch nur auszusprechen.i Es hatte etwas köstlich Ironisches, die Existenz der unsichtbaren Welt zu leugnen und sich völlig bewußt zu sein, daß ihm eben jetzt ihr rachsüchtiger Atem den Nacken hinabstrich.
»Meinst du Poltergeister?« fragte Gina.
»Ich mein’ alles, was rumrumpelt in der Nacht. Aber schließlich sind wir erwachsene Menschen, nicht? Wir glauben an keine Schwarzen Männer.«
»Nein«, sagte Gina trocken, »tu ich nicht. Aber ebensowenig glaub’ ich, daß das Haus sich absenkt.«
»Also, fürs erste muß es reichen«, sagte Jack mit nonchalanter Entschiedenheit. »Ab sofort haben wir Weihnachten. Das wollen wir uns doch nicht mit weiterem Gerede über Kobolde vermiesen.«
Sie lachten alle drei.
Kobolde. Das traf sicher tief, die Höllenausgeburt einen Kobold zu nennen.
Das Geyatter - halb krank vor Frustration, Säuretränen schäumten auf seinen Wangen - knirschte mit den Zähnen und verhielt sich ruhig.
Es würden schon noch Zeit und Gelegenheit kommen, dieses atheistische Lächeln aus Jack Polos glattem, feistem Gesicht herauszudreschen. Jede Menge Zeit. Keine halben Sachen mehr von jetzt ab. Keine feinen Unterschiede. Ein Großangriff würde es werden, der totale Krieg.
Zu Bht soll’s kommen. Und zu Todesqual.
Kaputtgehen würden sie, allesamt.
Amanda war in der Küche beim Zubereiten des Weihnachtsessens, als das Geyatter seine nächste Attacke in Szene setzte.
Durchs Haus zogen die Klänge des King’s-College-Chors, »O
stilles Städtchen Bethlehem, wie friedlich liegst du
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