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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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das nächste, die Illusion des Lebens, hervorgerufen von der perfekten Abfolge kleiner Tode.
    »… und da sind wir wieder, mit jeder Silbe, jedem Klang.« Sie lachte ein Eis -im-Glas-Lachen. »Wir vergessen nie den Text, altern nie, verpassen nie unseren Einsatz.«
    »Dich gibt’s nicht wirklich«, sagte Ricky.
    Sie wirkte etwas genervt durch die Beobachtung, als ob er pedantisch wäre.
    Mittlerweile war sie bis ans Ende der Sitzreihe gelangt und stand keinen Meter mehr von ihm entfernt. Aus diesem Abstand war die Illusion so hinreißend und vollkommen wie nur je. Plötzlich wollte er sie besitzen, hier, auf dem Seiten
    gang. War doch scheißegal, ob sie bloß eine Fiktion war: Fiktionen kann man ficken, zur Ehe zwingt dich ja niemand.
    »Ich will dich«, sagte er und war von seiner eigenen Unverfrorenheit überrascht.
    »Und ich will dich«, entgegnete sie, was ihn nur noch mehr überraschte. »Ich brauch’ dich tatsächlich. Ich bin sehr schwach.«
    »Schwach?«
    »Es ist nicht leicht, der Mittelpunkt der Anziehung zu sein, weißt du. Man hat immer stärker das Gefühl, daß man’s unbedingt braucht. Daß man Menschen braucht, die einen ansehn. Die ganze Nacht, den ganzen Tag.«
    »Das tu’ ich ja.«
    »Bin ich schön?«
    »Du bist eine Göttin, wer du auch bist.«
    »Die Deine bin ich, niemand anderer.«
    Es war eine perfekte Antwort. Sie definierte sich durch ihn. Ich bin eine Funktion von dir; aus dir für dich gemacht. Die perfekte Phantasie.
    »Sieh mich weiter an, sieh mich ewig an, Ricky. Ich brauche deine liebevollen Blicke. Ich kann nicht ohne sie leben.«
    Je mehr er sie anstarrte, desto kraftvoller schien ihr Bild zu werden. Das Geflacker hatte fast aufgehört. Ruhe hatte sich über den Schauplatz gesenkt.
    »Möchtest du mich anfassen?«
    Nie hätte er gedacht, daß sie das fragen würde. »Ja«, sagte er.
    »Gut.« Sie lächelte ihn schmeichlerisch an, und er streckte die Hand aus, um sie zu berühren. Im letztmöglichen Moment wich sie gewandt seinen Fingerspitzen aus und rannte lachend den Seitengang hinunter auf die Leinwand zu. Begierig folgte er ihr. Ein Spiel wollte sie; er hatte nichts dagegen.
    Sie würde in eine Sackgasse laufen. An diesem Ende des Kinos gab es keinen Ausgang, kein Entko mmen, und nach den Winken zu urteilen, mit denen sie ihn hinter sich herlockte, wußte sie das. Sie drehte sich um und drückte sich, die Füße leicht ausgestellt, flach gegen die Wand.
    Er hatte nur noch ein paar Meter bis zu ihr, als ihr ein Luftzug aus dem Nirgendwo den Rock bis über die Hüften hochbauschte. Sie lachte, mit halb geschlossenen Augen, als die seidene Woge nach oben stieg und sie entblößte. Darunter war sie nackt.
    Ricky streckte wieder die Hand nach ihr aus, und diesmal ließ sie seine Berührung zu. Das Kleid bauschte sich ein bißchen höher hinauf, und er starrte, gebannt, auf den Teil Marilyns, den er nie zu Gesicht bekommen hatte, den pelzigen Spalt, den einstigen Traum von Millionen.
    Blut befand sich dort. Nicht viel, ein paar Fingerabdrücke auf der Innenseite ihrer Schenkel. Der makellose Schimmer ihres Fleisches war leicht angeschmuddelt. Noch immer starrte er.
    Und als sie ihre Hüften bewegte, teilten sich die Lippen ein wenig, und er erkannte, daß die glitzernde Nässe in ihrem Innern nicht von ihren Körpersäften, sondern von etwas ganz und gar anderem herrührte. Bei der Bewegung ihrer Muskeln veränderten die blutigen Augen, die sie in ihrem Körper vergraben hatte, die Lage und ruhten schließlich auf Ricky.
    Der Ausdruck seines Gesichts verriet ihr, daß sie sie nicht tief genug versteckt hatte, aber wo sollte denn eine junge Frau, der zum Bedecken ihrer Blöße kaum ein Schleierzipfel blieb, die Früchte ihrer Arbeit verstecken ?
    »Du hast ihn umgebracht«, sagte Ricky und schaute dabei noch immer die Lippen an, und die Augen, die dazwischen hervorlugten. Das Bild war so fesselnd, so unverfälscht, daß es das Grauen in seinen Eingeweiden schon fast wieder aufwog.
    Perverserweise heizte seine Abscheu seine Lust nur noch weiter an, statt sie abzutöten. Was machte es schon, wenn sie wirklich eine Mörderin war; sie war ein Mythos.
    »Liebe mich«, sagte sie. »Lieb mich auf ewig.«
    Er kam zu ihr und war sich jetzt voll und ganz bewußt, daß genau das den Tod bedeutete. Aber der Tod war eine re lative Größe, nicht wahr? Körperlich war Marilyn tot, aber hier lebte sie, entweder in seinem Hirn oder in der surrenden Substanz der Luft oder in beiden; und er

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