Das 3. Buch Des Blutes - 3
Herausforderung an ihre Weiblichkeit. Dieses instinktive Überlegenheitsgefühl, das die Männer Frauen gegenüber erkennen ließen, sobald es sich um Maschinen, Anlagen oder logische Prozesse handelte, war ihr in seiner Art zuwider, und ums Verrecken würde sie nicht lamentierend wieder zu Ricky hineingehen, um ihm zu sagen, daß sie die verdammte Tür nicht aufbrachte.
Als sie schließlich das Handtuch warf, war Ricky auch soweit.
Er war tot und hinüber. Sie verfluchte die Schlüssel in den kräftigsten Farben und gab sich geschlagen. Offenkundig kannte Ricky einen besonderen Dreh bei diesen verflixten Dingern, den sie nie ganz kapieren würde. Na, dann viel Erfolg.
Jedenfalls wollte sie jetzt nur noch raus hier. Langsam wurde es klaustrophobisch. Eingeschlossensein gefiel ihr gar nicht, noch dazu wußte sie nicht, wer da oben herumlauerte.
Und jetzt, als Krönung des Ganzen, gab die Foyerbeleuchtung den Geist auf, wurde mit jedem Aufflackern zusehends schwächer.
Was, zum Teufel, ging hier eigentlich vor?
Ohne Warnung erlosch die Beleuchtung völlig, und hinter den Türen zum Kinosaal hörte sie zweifelsohne eine Bewegung.
Licht schwappte von da drinnen nach draußen, stärker als der Schein einer Taschenlampe, zuckend, farbenprächtig.
»Ricky?« fragte sie aufs Geratewohl ins Dunkel. Es schien ihre Worte zu verschlucken. Ja - aber vielleicht war es überhaupt nicht Ricky? Irgend etwas sagte ihr, daß sie, wenn es denn sein mußte, ihre Bitte im Flüsterton äußern sollte.
»Ricky … ?«
Unter sanftem Schmatzen bewegten sich die Lippen der Schwingtüren gegeneinander, als etwas von drinnen dagegendrückte.
»… bist du das?«
Die Luft war aufgeladen. Statische Elektrizität knisterte unter ihren Schuhen, während sie auf die Tür zuging, die Haare auf ihren Armen waren gesträubt. Das Licht da drinnen nahm mit jedem Schritt an Helligkeit zu.
Mitten im Voranschreiten blieb sie stehen; sie mußte sich auf diese Nachforschungen anders vorbereiten. Es war nicht Ricky, das wußte sie. Möglicherweise war es der Mann oder die Frau am Telefon, irgendein knopfäugiger Geisteskranker, für den die Pirschjagd auf fette Frauen der absolute Kick war.
Mit funkensprühenden Füßen machte sie zwei Schritte rückwärts Richtung Kinokasse und griff unter den Kassentisch nach dem Arschaufreißer, einer Eisenstange, die sie hier aufbewahrte, seit sie drei Möchtegerndieben mit rasierten Köpfen und elektrischen Bohrmaschinen in der Kinokasse in die Falle gegangen war. Sie hatte Zeter und Mordio geschrien, und die drei waren geflüchtet, aber sie schwor sich, daß sie beim nächsten Mal eher einen von ihnen (oder alle miteinander) bewußtlos prügeln würde, als sich terrorisieren zu lassen. Und der Arschaufreißer war, mit jedem seiner neunzig Zentimeter, die Waffe ihrer Wahl.
Nunmehr abwehrbereit, trat sie den Türen entgegen.
Die flogen plötzlich auf, und ein brausendes weißes Rauschen erfüllte ihren Kopf, und durch das Brausen sagte eine Stimme:
»Man sieht dich an, Kleine.«
Ein Auge, ein einzelnes, gigantisches Auge füllte die Türöffnung aus. Das Rauschen war ohrenbetäubend. Das Auge zwinkerte, riesig und weiß und träge, und musterte die Puppe vor sich mit der Anmaßung des Einen Wahren Gottes, des Schöpfers des Zelluloidhimmels und der Zelluloiderde.
Birdy war zutiefst verängstigt, anders kann man’s nicht nennen. Das war kein nervenkitzelnder Schau-hinter-dich-Grusel, hier gab es keine prickelnde Erwartung, keinen wohltuenden Schrecken. Es war wirkliche Angst, Eingeweide-Angst, unverbrämt und häßlich wie Scheiße.
Sie konnte sich unter dem gnadenlosen Starrblick des Auges wimmern hören, ihre Knie gaben nach. Bald würde sie auf den Teppich vor der Tür fallen, und dann war’s ganz bestimmt aus mit ihr.
Dann fiel ihr der Arschaufreißer ein. Der liebe Arschaufreißer, sein phallisches Herz sei gesegnet. Mit beiden Händen hob sie die Stange hoch und stürzte, die Waffe schwingend, auf das Auge los.
Bevor sie noch mit dem Auge in Berührung kam, schloß es sich, das Licht ging aus, und sie war wieder von Dunkelheit umgeben, und ihre Netzhaut brannte von dem Anblick.
In der Dunkelheit sagte jemand: »Ricky ist tot.«
Sonst nichts. Das war schlimmer als das Auge, schlimmer als all die toten Stimmen Hollywoods, weil sie wußte, daß es aus irgendeinem Grunde wahr war. Das Kino war zum Schlachthaus geworden. Lindi Lees Dean war gestorben, wie es Ricky von ihm behauptet hatte, und jetzt
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