Das 4. Buch des Blutes - 4
Seite. Ein Flutlicht am Eingangstor warf seinen Schein auf die Kollektion Fahrzeuge, private wie gewerbliche, die auf dem Schrottplatz zusammengestellt war. Die meisten nicht mehr zu retten: verrostete Laster und Tankwagen, ein Bus, der offenbar bei voller Geschwindigkeit gegen eine niedrige Brücke geprallt war – ein regelrechtes Verbrecheralbum von Wagen, hintereinandergereiht oder übereinandergestapelt, jeder einzelne ein Unfallopfer. Vom Eingangstor aus begann Karney eine systematische Durchsuchung des Platzes, wobei er sich bemühte, so leise aufzutreten wie nur irgend möglich, aber bis zum Nordwestende des Platzes konnte er keine Spur von Pope oder seinem Gefangenen finden. Den Knoten in der Hand, drang er nun tiefer in das eingezäunte Areal vor; das beruhigende Licht am Tor wurde mit jedem seiner Schritte schwächer. Nach ein paar Metern erblickte er Flammen zwischen zwei Fahrzeugen. Regungslos blieb er stehen und versuchte, das vertrackte Spiel von Schatten und Feuerschein zu deuten. Hinter sich hörte er Bewegung, und er drehte sich um, mit jedem Herzschlag auf einen Schrei, einen Hieb gefaßt.
Nichts. Er durchkämmte – das Bild der tanzenden, gelben Flamme auf der Netzhaut – das rückwärtige Areal, aber was immer sich gerührt hatte, war jetzt wieder regungslos.
»Brendan?« flüsterte er, die Augen erneut dem Feuer zugekehrt.
In einem Schattenviereck vor ihm bewegte sich eine Gestalt, und Brendan wankte heraus und brach ein paar Schritte von Karney entfernt auf der Schlacke in die Knie. Selbst in dem trügerischen Licht konnte Karney erkennen daß Brendan die Bestrafung schon mehr oder minder hinter sich hatte. Sein Hemd war von Flecken verschmiert, die zu dunkel waren, um etwas anderes als Blut zu sein; sein Gesicht war verzerrt vor akutem Schmerz, oder in Erwartung desselben. Als Karney auf ihn zuging, scheute er zurück wie ein geschlagenes Tier.
»Ich bin’s. Karney.«
Brendan hob seinen arg lädierten Kopf. »Mach, daß er aufhört.«
»Das kriegen wir schon.«
»Mach, daß er aufhört. Bitte.«
Brendans Hände wanderten zu seinem Hals hinauf. Ein Seilkragen umschlang seine Kehle; eine Leine führte von ihm weg ins Dunkel zwischen zwei Fahrzeuge. Dort stand Pope und hielt das andere Ende der Leine. Seine Augen glommen in der Dunkelheit, obwohl es keinerlei Lichtquelle gab.
»Vernünftig von dir, daß du gekommen bist«, sagte Pope.
»Ich hätte ihn umgebracht.«
»Lassen Sie ihn los«, sagte Karney.
Pope schüttelte den Kopf. »Erst den Knoten.« Er trat aus seinem Versteck. Irgendwie hatte Karney erwartet, daß er mittlerweile seine Verkleidung als Penner abgestreift hätte, um sein wahres Gesicht zu zeigen – was immer das auch sein mochte –, aber dem war nicht so. Er trug dieselbe schäbige Kluft, die er immer anhatte; seine Kontrolle über die Situation war jedoch unbestreitbar. Er zog kurz an dem Seil, und würgend kippte Brendan vollends auf den Boden, während seine Hände vergeblich an der Schlinge zerrten, die sich um seinen Hals zusammenzog.
»Hör’n Sie auf damit«, sagte Karney, »ich hab’ die Schnur dabei, verdammt noch mal. Bringen Sie ihn bloß nicht um.«
»Gib sie her.«
Eben als Karney einen Schritt auf den Alten zu machte, schrie im Labyrinth des Schrottplatzes etwas auf. Karney erkannte den Laut; Pope auch. Es war unverkennbar die Stimme des abgebalgten Bestienwesens, das Red getötet hatte, und sie kam aus nächster Nähe. Unter der Zeitnot begann Popes verdrecktes Gesicht zu glühen.
»Schnell!« sagte er. »Oder ich bring’ ihn um.« Er hatte ein Ausweidemesser aus dem Mantel gezogen. Mit einem Ruck an der Leine holte er Brendan nah zu sich heran.
Die Bestienklage nahm an Tonhöhe zu.
» Den Knoten !« sagte Pope. » Her damit !« Er trat auf Brendan zu und setzte dem Gefangenen die Klinge an den kurzgeschorenen Schädel.
»Nicht«, sagte Karney, »da ham Sie schon den Knoten.«
Aber noch vor seinem nächsten Atemzug bewegte sich etwas in seinen Augenwinkeln, und sein Handgelenk wurde mit einem versengenden Griff gepackt. Pope stieß einen Wutschrei aus, und als Karney sich umdrehte, sah er neben sich das scharlachrote Ungeheuer, das seinem Blick mit gequältem Gestarr begegnete. Karney versuchte krampfhaft, sich aus seiner Umklammerung zu befreien, aber es schüttelte den entstellten Kopf.
»Bring es um!« brüllte Pope. » Bring es um !«
Die Bestie schaute flüchtig zu Pope hinüber, und zum erstenmal sah Karney einen unzweideutigen
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