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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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vervollständigte so eine unheilige Familie aus Reptil, Affe und Kind.
    Doch die Vereinigung war noch nicht beendet. Kaum hatten sich die drei Geschöpfe aneinandergefügt, da begannen ihre Körper auszufasern, dröselten sich in Bänder aus pastellfarbener Materie auf; und kaum fingen ihre Anatomien an sich aufzulösen, da formten die Strähnen, unter allseitiger Verflechtung der Fäden, eine neue Gestalt. Aufs Geratewohl und doch unausweichlich knüpften sie einen neuen Knoten; weitaus kunstvoller als alle, die Karney bisher untergekommen waren. Ein neues und vielleicht unlösbares Rätsel ging aus den Stücken der alten hervor; während jene aber unvollständig waren, würde dieses vollendet und ganz sein. Aber was – was?
    Als das Gewirr aus Nerven und Muskulatur seinem Endstadium zustrebte, hielt Pope seinen Augenblick für gekommen. Er stürmte nach vorn, das Gesicht irr in der strahlenden Helle der Vereinigung, und stieß sein Ausweidemesser ins Zentrum des Knotens. Aber der Angriff erfolgte zur falschen Zeit. Ein Glied aus gebändertem Licht entrollte sich von dem Körper und wickelte sich um Popes Handgelenk. Der Gabardinemantel fing Feuer; Popes Fleisch begann zu brennen. Er kreischte und ließ die Waffe fallen. Das Glied gab ihn frei, nahm wieder seinen Platz in dem Gewebe ein und überließ es dem Alten, sich rückwärts taumelnd den rauchenden Arm zu halten. Pope sah aus, als würde er den Verstand verlieren; er schüttelte unablässig den Kopf – ein Bild des Jammers. Einen Moment lang streifte sein Blick Karney, und ein tückischer Schimmer glomm wieder darin auf. Er langte nach dem verletzten Arm des Jungen und zog Karney eng an sich heran. Der schrie auf, aber Pope, gleichgültig gegenüber seinem Gefangenen, zerrte ihn weg von der Stelle, an dem sich die Verflechtung ihrem Ende näherte, in die Sicherheit des Labyrinths.
    »Er wird mir nichts tun«, sagte Pope zu sich selber, »nicht, solange du dabei bist. Hatte immer ’ne Schwäche für Kinder.«
    Er schubste Karney vor sich her. »Bloß noch die Aufzeichnungen schnappen… dann raus hier.«

    Karney konnte kaum sagen, ob er am Leben war oder tot; er hatte keine Kraft mehr, sich gegen Pope zu wehren. Er ging einfach mit dem Alten mit, die meiste Zeit über auf allen vieren, bis sie Popes Ziel erreichten: einen Wagen, der von einem Haufen verrosteter Fahrzeuge verdeckt war. Er hatte keine Räder; ein Strauch, der durch das Chassis gewachsen war, machte sich auf dem Fahrersitz breit. Befriedigt murmelnd, öffnete Pope die hintere Tür und beugt sich ins Innere, während Karney wie ein nasser Sack am Kotflügel lehnen blieb. Die Bewußtlosigkeit war verlockend nahe; Karney sehnte sich nach ihr. Aber Pope hatte noch Verwendung für ihn. Er fischte ein kleines Buch aus seinem Versteck unter dem Beifahrersitz heraus und flüsterte: »Jetzt müssen wir gehen. Wir haben was zu erledigen.« Karney stöhnte, als er vorwärtsgedrängt wurde.
    »Mach den Mund zu«, sagte Pope und legte den Arm um ihn,
    »mein Bruder hat Ohren.«
    »Bruder?« murmelte Karney; er versuchte, dem, was Pope da herausgerutscht war, einen Sinn abzugewinnen.
    »Gebannt«, sagte Pope, »bis du daherkamst.«
    »Bestien«, murmelte Karney; die sich vermischenden Bilder von Affen und Reptilien stürmten auf ihn ein.
    »Menschlich«, entgegnete Pope. »In der Evolution sitzt der Knoten, Junge.«
    » Menschlich «, sagte Karney, und während er noch die Silben aussprach, erblickte er auf dem Wagen im Rücken seines Peinigers eine schimmernde Gestalt. Ja – sie war tatsächlich menschlich. Noch naß von der Wiedergeburt, der Körper triefend vor ererbten Wunden, aber triumphierend menschlich.
    Pope sah das Erkennen in Karneys Augen. Er packte ihn und wollte den erschlafften Körper gerade als Schild benutzen, als sein Bruder dazwischenfuhr. Der Wiederentdeckte griff von der Höhe des Wagendachs hinunter nach Popes dünnem Hals.

    Der Alte schrie gellend auf und riß sich los, spurtete über die Schlacke davon, aber der andere nahm heulend die Verfolgung auf, und Karney verlor beide aus den Augen.
    Aus weiter Ferne hörte Karney Popes letztes Flehen, als sein Bruder ihn eingeholt hatte, und dann gipfelten die Worte in einem Schrei. Karney hoffte, dergleichen nie wieder zu hören.
    Danach: Schweigen. Der Bruder kam nicht zurück, wofür Karney, trotz seiner Neugier, dankbar war.
    Als er, mehrere Minuten später, genügend Energie aufbrachte, den Schrottplatz zu verlassen – das Licht

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