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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Teufel hat mich dazu verleitet«, antwortete Virginia, zum Mond emporstarrend, und mimte das verrückteste Lächeln, das sie aufbieten konnte.

    Erscheine, Satan!
    Die Verhältnisse hatten Gregorius unermeßlich reich gemacht.
    Ihm gehörten Flotten und Paläste, Zuchthengste, Städte. Ja, ihm gehörte so vieles, daß jene, die schließlich – als die Ereignisse der vorliegenden Geschichte ihren monströsen Abschluß fanden – mit der Auflistung seiner Besitztümer betraut waren, gelegentlich den Eindruck hatten, eine Zusammenstellung der Dinge, die Gregorius nicht gehörten, lasse sich schneller bewerkstelligen.
    Reich war er; aber alles andere als glücklich. Er war katholisch erzogen worden und hatte in seinen frühen Jahren –
    vor seinem schwindelerregenden Aufstieg zu Wohlstand und Vermögen – Beistand in seinem Glauben gefunden. Aber den hatte er vernachlässigt, und erst als er fünfundfünfzig geworden war, die Welt lag ihm mittlerweile zu Füßen, erwachte er eines Nachts: im bestürzenden Zustand der Gottlosigkeit.
    Das traf ihn tief, aber unverzüglich unternahm er Schritte, seinen Verlust wettzumachen. Er ging nach Rom und sprach mit dem Pontifex Maximus; er betete Tag und Nacht; er gründete Priesterseminare und Leprakolonien. Gott hingegen lehnte es ab, auch nur Seinen Zehennagel zu zeigen. Gregorius, so schien es, war von Ihm verlassen.
    Am Rand der Verzweiflung setzte er es sich in den Kopf, daß er nur dann in die Arme seines Schöpfers zurückgelangen könne, wenn er seine Seele der gräßlichsten Gefährdung unterziehe. Die aberwitzige Idee hatte etwas Einleuchtendes.
    Angenommen, so dachte er, ich könnte ein Treffen mit Satan, dem Erzbösewicht, zustande bringen; wäre Gott dann angesichts meiner äußersten Bedrängnis nicht dazu verpflichtet, einzugreifen und mich in die Herde zurückzubefördern?
    Es war ein exzellentes Konzept, aber wie sollte er es verwirklichen? Der Teufel kam nicht auf bloßen Anruf, selbst wenn es sich um einen Tycoon wie Gregorius handelte, und dessen Nachforschungen erwiesen bald, daß sämtliche Methoden, mit denen der Herr des Geziefers sich traditionellerweise herbeizitieren ließ – die Schändung des Altarsakraments etwa oder die Opferung von Säuglingen –, keine größere Wirkung zeitigten als seine guten Werke, mit denen er Jahwe zu bewegen versucht hatte. Erst nach einem Jahr reiflicher Überlegung verfiel er schließlich auf seinen Meisterplan. Er würde den Bau einer Hölle auf Erden in die Wege leiten – ein modernes Inferno, so monströs, daß der Versucher in Versuchung geführt würde und herbeikäme, um sich wie ein Kuckuck in ein widerrechtlich angeeignetes Nest hineinzuhocken.
    Er suchte allerorts nach einem Architekten und fand einen Mann namens Leopardo, der in einem Tollhaus außerhalb von Florenz dahinsiechte. Seine Pläne für Mussolinis Paläste waren von einer irrsinnigen Großartigkeit und entsprachen darin Gregorius’ Projekt vollkommen. Leopardo wurde aus seiner Zelle genommen – ein stinkender, erbärmlicher alter Mann –
    und seinen Träumen wiedergegeben. Seine geniale Begabung für das Ungeheuerliche war nicht von ihm gewichen.
    Um seinen Erfindungsgeist zu beflügeln, wurden die großen Bibliotheken der Welt nach Schilderungen sowohl profaner wie auch übersinnlicher Höllen durchstöbert; Museumsgewölbe wurden nach verbotenen
    Martyriumsdarstellungen durchwühlt. Kein Stein, den man nicht umdrehte, wenn begründeter Verdacht bestand, daß etwas Perverses darunter verborgen war.
    Die fertiggestellten Konstruktionszeichnungen verdankten einiges de Sade und Dante und einiges eher Freud und Krafft

    Ebing, aber es war auch vieles vorhanden, das bisher noch kein Hirn sich ausgedacht oder zumindest zu Papier zu bringen gewagt hatte.
    Ein Gelände in Nordafrika wurde ausgewählt, und die Arbeit an Gregorius’ Neuer Hölle begann. Alles an dem Projekt brach die Rekorde. Seine Fundamente waren riesenhafter, seine Mauern dicker, sein Wasserleitungssystem kunstvoller als bei jeglichem bis dahin unternommenen Bau. Gregorius beobachtete das langsame Werden des Bauwerks mit einer Begeisterung, die er seit seinen ersten Jahren als Gründer eines Imperiums nicht mehr verspürt hatte. Unnötig zu sagen, daß man weit und breit der Meinung war, er habe den Verstand verloren. Freunde, die er seit Jahren kannte, weigerten sich, mit ihm zu verkehren; mehrere seiner Gesellschaften gingen bankrott, als sich Kapitalanleger durch Berichte über

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