Das 4. Buch des Blutes - 4
seinen Wahnsinn verprellen ließen. Es war ihm egal. Sein Plan konnte nicht mißlingen. Der Teufel mußte einfach kommen, und sei es nur aus Neugier: um diesen in seinem Namen erbauten Leviathan in Augenschein zu nehmen – und wenn es soweit war, würde Gregorius ihn bereits erwarten.
Die Arbeit nahm vier Jahre in Anspruch – und den Löwenanteil von Gregorius’ Vermögen. Das fertiggestellte Bauwerk war geräumig wie ein halbes Dutzend Kathedralen und hatte jedwede Einrichtung aufzuweisen, die sich der Engel des Orkus nur wünschen konnte. Feuer brannten hinter den Wänden des Höllengebäudes, so daß das Durchschreiten der meisten Korridore fast unerträgliche Qualen bereitete. Die von diesen Korridoren wegführenden Zimmer waren mit jeder erdenklichen Peinigungsvorrichtung ausgestattet – der Nadel, der Folterbank, der Finsternis -ein angemessenes Betätigungsfeld für den Genius der Folterer Satans. Es gab Öfen, groß genug, um ganze Familien einzuäschern; Wasserbecken, tief genug, um Generationen zu ertränken. Die Neue Hölle war ein Greuel, der auf seine Inszenierung wartete; eine Feier der Unmenschlichkeit, der nur noch das auslösende Moment fehlte.
Die Bauleute zogen ab, nicht ohne Erleichterung. Es ging unter ihnen das Gerücht, daß Satan längst über die Errichtung seines Lustschlosses wache. Manche behaupteten sogar, ihn in den tiefer gelegenen Etagen erblickt zu haben, wo die Frostkühle so groß war, daß einem die Pisse in der Blase gefror. Einiges sprach durchaus für den Glauben, daß sich dem Bauwerk kurz vor seiner Fertigstellung übernatürliche Präsenzen zugesellt hatten: nicht zuletzt der grausame Tod von Leopardo, der sich durch die Fensterscheibe seines Hotelzimmers im sechsten Stock gestürzt hatte oder – wie die Abergläubischen geltend machten – durch sie geworfen worden war. Er wurde mit gebührender Extravaganz bestattet.
Gregorius, nunmehr allein in der Hölle, wartete.
Er mußte nicht lange warten. Er war kaum einen Tag da, als aus der kellerigen Tiefe Geräusche zu ihm drangen. Bebend voller Erwartung, machte er sich auf die Suche nach ihrer Quelle, fand aber lediglich das schäumende Gewühl von Exkrementwannen und das Gerassel der Öfen. Er kehrte in seine Suite im neunten Geschoß zurück und wartete.
Die Geräusche traten wieder auf; abermals machte er sich auf die Suche nach ihrer Quelle; abermals kam er enttäuscht zurück.
Die Störungen flauten jedoch nicht ab. In den darauffolgenden Tagen vergingen kaum zehn Minuten, ohne daß er nicht irgendeinen Laut des Bewohntseins hörte. Der Fürst der Finsternis war zugegen, daran bestand für Gregorius kein Zweifel. Aber er verharrte im Dunkel. Gregorius war gewillt weiterzuspielen. Letztlich war der Teufel hier der Gesellschafter. Beelzebub oblag es, jedwedes Spiel zu spielen, das ihm beliebte.
Aber im Verlauf der langen und oft einsamen Monate, die folgten, wurde Gregorius dieses Versteckspiels müde, und er begann, Satan aufzufordern, sich zu zeigen. Aber unbeantwortet schallte seine Stimme durch die verlassenen Korridore, bis er sich die Kehle wundgebrüllt hatte. Danach ging er bei seiner Teufelssuche verstohlen vor, in der Hoffnung, seinen Mieter zu überraschen. Aber der Gefallene Engel flitzte immer davon, ehe Gregorius einen Anblick von ihm erhaschen konnte.
Sie spielten da ein Zermürbespiel, so schien es, er und Satan, jagten hintereinander her durch Eis und Feuer und abermals durch Eis. Gregorius ermahnte sich zur Geduld. Der Teufel war doch gekommen, oder? War das nicht sein schmieriger Fingerabdruck auf der Türklinke? Und dies nicht sein Scheißehaufen auf der Treppe? Über kurz oder lang würde Beelzebub sein Antlitz zeigen, und Gregorius würde hineinspeien.
Die Außenwelt ging ihren üblichen Gang, und Gregorius galt nachgerade als einer jener typischen einsiedlerischen Sonderlinge, die der Reichtum ruiniert hat. Seine als
»Monsterbau« bekannte Residenz blieb jedoch nicht ganz ohne Besucher. Es gab ein paar Personen, die ihn zu sehr geliebt hatten, um ihn zu vergessen – auch ein paar, die von ihm profitiert hatten und darauf hofften, aus seiner Verrücktheit weiteren Profit zu schlagen –, und die wagten sich an die Pforten der Neuen Hölle heran. Diese Besucher begaben sich auf die Reise, ohne von ihrem Vorhaben etwas verlauten zu lassen, da sie die Mißbilligung ihrer Freunde befürchteten. Die Ermittlungen über ihr anschließendes Verschwinden führten nie bis nach Nordafrika.
Und
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