Das 5. Buch des Blutes - 5
zu Wut. Die Proteste der jungen Frau ignorierend, riß er ihr das grauenerregende Etwas aus den Armen - wobei er es lang genug in den Händen hielt, um zu spüren, wie der glitzernde Körpersack sich in seinem Griff hin und her wand - und schleuderte es mit aller verfügbaren Gewalt gegen die andere Wand der Kammer. Als es auf die Kacheln klatschte, schrie es auf; seine Klage endete, kaum daß sie begonnen hatte - nur um augenblicklich von der Mutter fortgeführt zu werden. Sie lief hinüber zu der Stelle, wo das Kind lag, dessen offenbar knochenloser Körper bei dem Aufprall aufgeplatzt war. Eines seiner Glieder, von denen es mindestens ein halbes Dutzend besaß, versuchte hinaufzulangen, um das Gesicht der Schluchzenden zu berühren. Sie hob das Wesen auf und schloß es in die Arme;
Fäden einer funkelnden Flüssigkeit liefen ihr über den Bauch und in die Schamgegend.
Außerhalb der Kammer erhob etwas seine Stimme. Für Garvey stand zweifelsfrei fest, was es dazu motivierte; es gab Antwort auf den Todesschrei des Kindes und das lauter werdende Wehklagen seiner Mutter - aber dieses Geräusch war beklemmender als die beiden letzteren. Garveys Einbildungskraft war ausgesprochen kümmerlich. Jenseits seiner Träume von Wohlstand und Weibern lag Ödland. Doch jetzt, beim Klang dieser Stimme, erblühte das Ödland und trieb Greuel aus, die vorzustellen er sich für unfähig gehalten hätte.
Keine Bilder von Monstern, die bestenfalls doch nur Montagen tatsächlich erlebter Phänomene sein konnten. Was seine Gedanken hervorbrachten, war mehr gefühlt als geschaut; gehörte zu seinem innersten Kern, nicht zu seinem bewußten Selbst. Alle Gewißheit erzitterte - Männlichkeit, Macht; die Zwillingsgebote Furcht und Vernunft - sie schlugen alle den Kragen hoch und bestritten, ihn zu kennen. Er bebte, verängstigt, wie nur Träume ihn verängstigen konnten, während der Schrei ohne Unterbrechung andauerte; dann kehrte er dem Raum den Rücken und rannte los, seinem Schatten nach, den das Licht den dämmerigen Korridor entlang
vor ihn hinwarf.
Sein Orientierungssinn hatte ihn im Stich gelassen. An der ersten Kreuzung, und dann an der zweiten, ging er falsch. Wenige Meter weiter erkannte er seinen Irrtum, machte kehrt und versuchte zurückzulaufen, verschlimmerte aber nur die Verwirrung. Die Korridore sahen alle gleich aus: dieselben Kacheln, dasselbe Zwielicht. Jede neue Ecke, um die er bog, führte ihn in einen Raum, durch den er noch nicht gekommen war, oder in totale Sackgassen. Sein panisches Entsetzen schraubte sich ständig höher. Das Wehklagen hatte jetzt aufgehört; er war allein mit seinem rasselnden Atem und halbformulierten Flüchen. Coloqhoun war für diese Tortur verantwortlich, und Garvey schwor sich, er werde ihren Sinn und Zweck aus dem Mann herausprügeln lassen, selbst wenn er Coloqhoun dabei eigenhändig jeden einzelnen Knochen im Leib brechen müßte. Er klammerte sich an die Gedankenbilder von dieser Prügelaktion, während er weiterrannte; es war sein einziger Trost. Ja, er wurde vom Denken an die Höllenqualen, die er Coloqhoun leiden lassen wollte, derart in Anspruch genommen, daß er gar nicht mitbekam, wie er, im Kreis herumlaufend, seinen eigenen Weg zurückverfolgte und schließlich wieder auf das Licht zusteuerte - bis ihn seine schlitternden Absätze in einen wohlbekannten Raum beförderten. Das Kind lag auf dem Boden, tot und vergessen.
Seine Mutter war nirgends zu sehen.
Garvey machte halt und überprüfte seine Lage. Wenn er so zurückging, wie er gekommen war, würde er sich unterwegs nur wieder verirren; wenn er weiter vordrang, durch die Kammer und auf das Licht zu, könnte er eventuell den Gordischen Knoten durchschlagen und sich an seinem Ausgangspunkt wiederfinden. Die flotte Logik der Lösung gefiel ihm. Vorsichtig durchquerte er den Raum bis zur Tür auf der anderen Seite und spähte hinaus. Ein weiterer kurzer Korridor war zu sehen und am anderen Ende eine Tür, der
Zugang zu einem offenen Bereich. Das Schwimmbecken! Aber sicher, das Schwimmbecken!
Er schlug alle Vorsicht in den Wind und ging aus dem Zimmer und den Gang entlang.
Mit jedem Schritt, den er machte, verstärkte sich die Hitze.
Der Kopf hämmerte ihm davon. Er zwang sich weiter zum Ende des Ganges und hinaus in die angrenzende Halle.
Das große Schwimmbecken hatte man, im Unterschied zum kleinen, nicht abgelassen. Fast bis zum Rand war es voll - nicht mit klarem Wasser, sondern mit einer schaumigen Brühe, die
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