Das 5. Buch des Blutes - 5
Herzen.
Und doch wußte er, daß es nicht so war; wußte, daß die Tritte weiter vor ihm die einer Frau waren, leicht und geschmeidig;
daß die drückende Schwüle, die neue Schweißausbrüche bei ihm hervorrief, hier nur Weichheit und Passivität nähren konnte. Kein Messer konnte in solcher Hitze Erfolg haben. Die Schneide würde weich werden, ihr Ziel verfehlen. Er war hier sicher.
Weiter vorn machten die Schritte halt. Er ebenfalls. Von irgendwoher kam Licht, obwohl die Quelle nicht sichtbar war.
Er leckte sich die Lippen, schmeckte Salz, rückte dann vor. Die Kacheln unter seinen Fingern waren mit Wasser lasiert; unter seinen Fersen waren sie glitschig. Freudige Erwartung wuchs in ihm mit jedem Schritt.
Jetzt wurde das Licht heller. Vom Tag stammte es nicht.
Sonnenlicht fand keinen Weg in dieses Heiligtum; es war mehr wie Mondlicht - die Umrisse verwischend, diffus -, obwohl
auch das seiner Meinung nach von hier verbannt sein müßte.
Egal, wo es herrührte, jedenfalls bekam er in seinem Schein das Mädchen zu Gesicht; oder vielmehr ein Mädchen, denn es war nicht dieselbe Person, die er zwei Tage zuvor gesehen hatte. Nackt war sie, jung war sie; aber sonst in jeder Beziehung anders. Er fing einen kurzen Blick von ihr auf, ehe sie den Korridor entlang vor ihm davonlief und um eine Ecke bog. Perplexes Staunen verlieh der Jagd jetzt eine pikante Note: nicht eines, sondern zwei Mädchen, die sich an diesem geheimen Ort aufhielten. Weshalb?
Er schaute hinter sich, um sicherzugehen, daß ihm sein Fluchtweg offenstand, falls er den Rückzug antreten wollte, aber sein Gedächtnis, benebelt von der duftgeschwängerten Luft, verweigerte eine klare Skizzierung des Weges, den er gekommen war. Eine leichte Unruhe stieg in ihm auf und zügelte seine Hochstimmung, aber er weigerte sich, dem Gefühl nachzugeben, und drängte weiter, folgte der jungen Frau ans Ende des Korridors und bog nach links ab, hinter ihr her. Der Gang verlief kurzfristig geradeaus, ehe er neuerlich nach links schwenkte. Eben jetzt verschwand das Mädchen um diese Ecke. Verschwommen gewahr werdend, daß diese Windungen, auf denen er sich wieder und wieder um sich selber drehte, von Mal zu Mal enger wurden, ging er, wohin sie ihn führte, keuchte jetzt wegen der atemabwürgenden Luft und der Hartnäckigkeit der Jagd.
Plötzlich, während er um eine letzte Ecke bog, wurde die Hitze erstickend dumpf, und der Gang entließ ihn in einen kleinen, schwach erleuchteten Raum. Er öffnete die oberen Hemdknöpfe; die Venen auf seiner Hand standen wie Stränge heraus; er merkte deutlich, wie sein Herz und seine Lunge stampften und pumpten. Aber mit Erleichterung sah er, daß die Jagd hier zu Ende war. Das Objekt seiner Verfolgung stand, mit dem Rücken zu ihm, auf der anderen Seite der Kammer;
und beim Anblick des glatten Rückens und der köstlichen
Hinterbacken löste sich Garveys Klaustrophobie in Nichts auf.
»Mädchen…« keuchte er. »Hast mich zu ‘ner ganz schönen Jagd verleitet.«
Sie schien ihn nicht zu hören oder trieb - was wahrscheinlicher war - aus kapriziöser Laune das Spiel auf die Spitze.
Er ging über die schlüpfrigen Fliesen auf sie zu. »Ich rede mit dir.«
Als er sich ihr bis auf zwei Armlängen genähert hatte, drehte sie sich um. Das war nicht das Mädchen, das er gerade durch den Korridor verfolgt hatte, und auch nicht jenes, das er zwei Tage zuvor gesehen hatte. Dieses Geschöpf war jemand ganz und gar anderer. Garveys Blick ruhte auf ihrem unbekannten Gesicht jedoch nur wenige Sekunden, ehe er schwindelnd an ihr hinabglitt und auf das Kind stieß, das sie in ihren Armen hielt. Es saugte wie jedes neugeborene Baby, zerrte mit nicht geringem Hunger an ihrer jungen Brust. Aber in den fünfeinhalb Dekaden seines Lebens hatte Garvey noch nie eine derartige Kreatur gesehen. Ekel stieg auf in ihm. Das Mädchen als stillende Mutter, das war schon Überraschung genug - aber daß sie einer solchen Kreatur die Brust gab, einem solchen Auswurf jedweder Gattung, ob menschlich oder tierisch, das war fast mehr, als sein Magen ertragen konnte. Die Hölle selber hatte liebenswertere Nachkommen.
»Was, in Gottes Namen…?«
Die junge Frau betrachtete erstaunt Garveys Bestürzung, und ihr Gesicht entspannte sich zu einem breiten Lachen. Er schüttelte den Kopf. Das Kind in ihren Armen rollte ein Saugorgan aus und klemmte es am Busen seiner Trösterin fest, wie um sich besseren Halt zu verschaffen. Diese Geste steigerte Garveys Abscheu
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