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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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zustieß, »Nie mehr… nie mehr…« geflüstert hatte, um ihm zu sagen - obwohl er das unmöglich ahnen konnte -, daß diese Paarung für ihn als Mann die letzte sei. Sie hatten sich verschworen - Frau und Madonna -, dieses Wunder an ihm zu vollbringen, und war es nicht der subtilste Fehlschlag seines Lebens, daß er nicht einmal sein eigenes Geschlecht behielt? Daß ihm die Männlichkeit selbst, wie Wohlstand und Einfluß, in Aussicht gestellt und dann wieder entrissen wurde?
    Er stand vom Bett auf, drehte und wendete dabei seine Hände, um ihre neu entdeckte Zartheit zu bewundern, und fuhr mit den Innenflächen über seine Brüste. Er hatte weder Angst, noch war er euphorisch. Er nahm diese vollendete Tatsache hin wie ein Baby seine Verfassung hinnimmt; ohne Empfinden da-für, was sie an Gutem oder Bösem bringen mochte.
    Vielleicht gab es dort, wo diese herkam, noch mehr Verzauberungen. Wenn ja, würde er wieder ins Hallenbad gehen und sie sich beschaffen; der Spirale in ihr heißes Zentrum folgen und mit der Madonna über Mysterien diskutieren. Es gab Wunder auf der Welt! Kräfte, die ohne das geringste Blutvergießen Fleisch von innen nach außen stülpen konnten, die Tyrannei des Wirklichen umstürzen und in seinem Schutt ihr Spiel entfalten konnten.
    Nebenan lief die Dusche unaufhörlich weiter. Er ging zur leicht angelehnten Badetür und spähte hinein. Die Dusche war zwar aufgedreht, aber Carole stand nicht darunter. Sie saß neben der Wanne, die Hände vors Gesicht gepreßt. Sie hörte ihn an der Tür. Ihr Körper bebte. Sie schaute nicht auf.
    »Ich hab’s gesehen…« sagte sie. Ihre Stimme war kehlig;
    heiser vor kaum unterdrücktem Abscheu, »… werd’ ich verrückt?«
    »Nein.«
    »Was geschieht denn dann?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er schlicht. »Ist es so schrecklich?«
    »Scheußlich«, sagte sie. »Abstoßend. Ich will dich nicht ansehn. Hörst du? Ich will es nicht sehen.« Er schenkte sich irgendwelche Gegenargumente. Sie wollte nicht über ihn Bescheid wissen, und das war ihr gutes Recht.
    Er schlüpfte ins Schlafzimmer hinaus, zog seine alten und verdreckten Kleider an und machte sich wieder auf den Weg zum Hallenbad.
    Unterwegs blieb er unbemerkt; oder vielmehr, falls irgendwelchen anderen Fußgängern etwas Befremdliches an ihm auffiel - eine Unvereinbarkeit zwischen den getragenen Kleidern und dem Körper darunter -, schauten sie in die andere Richtung, nicht gewillt, ein solches Problem zu einer solchen Stunde anzupacken, noch dazu nüchtern.
    Als er in der Leopold Road ankam, standen drei Männer auf den Eingangsstufen. Sie unterhielten sich - freilich ohne daß er davon wußte - über das unmittelbar bevorstehende Nieder-reißen des Komplexes. Jerry wartete in der Eingangspassage eines Geschäfts auf der dem Hallenbad gegenüberliegenden Straßenseite, bis das Trio abzog, und begab sich dann hinüber zum Haupteingang. Er befürchtete, daß sie das Schloß ausgewechselt haben könnten, aber das war nicht der Fall. Er gelangte mühelos hinein und schloß die Tür hinter sich.
    Er hatte keine Taschenlampe dabei, aber als er in das Labyrinth eintauchte, vertraute er auf seinen Instinkt, und der ließ ihn nicht im Stich. Nach wenigen Minuten der Orientierung in den nachtdunklen Korridoren stolperte er über die Jacke, die er tags zuvor abgeworfen hatte; wenige Biegungen weiter kam er in den Raum, in dem ihn die lachende junge Frau gefunden hatte. Hier gab es einen Anflug von Tageslicht aus der dahinterliegenden Schwimmhalle. Von der Lumineszenz, die ihn zum erstenmal hierhergeführt hatte, war bis auf letzte Spuren alles verschwunden.
    Mit sinkender Hoffnung eilte er durch den Raum weiter.
    Das Wasser reichte noch immer bis an den Beckenrand, aber fast alles Licht darin war erloschen. Eindringlich musterte er die Brühe. In der Tiefe war keinerlei Bewegung. Sie waren fort. Die Mütter, die Kinder. Und ohne Zweifel auch der Ursprung von allem. Die Madonna.
    Er ging zum Duschraum durch. Sie war tatsächlich gegangen. Überdies war der Raum zerstört worden, wie in einem Anfall erboster Wut. Die Kacheln waren von den Wänden losgebrochen worden; die Rohre aus dem Verputz gerissen und in der Hitze der Madonna geschmolzen. Da und dort sah er Blutspritzer.
    Dem Trümmerhaufen den Rücken kehrend, ging er zum Becken zurück, wobei er sich fragte, ob es sein Eindringen gewesen sei, was die Madonna und ihren Anhang aus diesem behelfsmäßigen Tempel verscheucht hatte. Aus welchem Grund

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