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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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herum.
    »Sie waren zwei ganze Tage bewußtlos«, sagte Klein, als ob das irgendwie zur Erklärung der Kakophonie beitrüge. Der Kopf brummte ihr schon davon. Sie blickte von Bildschirm zu Bildschirm: von Washington zu Hamburg zu Sydney zu Rio de Janeiro. Überall, rund um den Globus, warteten die Mächtigen auf Nachricht. Aber die Orakel waren tot.
    »Sie sind reine Vollstrecker«, sagte Klein und wies mit einer Geste auf die brüllenden Bildschirme. »Sie könnten keinen Dreibeinwettlauf leiten, geschweige denn die Welt. Sie werden langsam hysterisch, und ihre Knopfdruckfinger beginnen zu jucken.«
    »Und was soll ich daran ändern?« erwiderte Vanessa. Dieser Rundgang durch Babel deprimierte sie. »Ich bin kein Stratege.«
    »Das waren Gomm und die andern auch nicht.
    Möglicherweise waren sie’s einmal, aber es löste sich bald alles auf.«
    »Systeme verfallen«, sagte sie.
    »Wenn das nicht wahr ist! Bis ich hierherkam, war das halbe Komitee bereits tot. Und der Rest hatte jegliches Interesse an der Pflicht verloren…«
    »Aber sie trafen noch immer Entscheidungen, wie H. G.
    sagte?«
    »Aber ja.«
    »Sie regierten die Welt?«
    »So lala«, antwortete Klein.
    »Was soll das heißen: so lala?«
    Klein blickte auf die Bildschirme. Seine Augen schienen dem Tränenvergießen nahe.
    »Hat er’s Ihnen nicht erklärt? Sie haben Spiele gespielt, Mrs.
    Jape. Als ihnen die holde Vernunft und der Laut ihrer eigenen Stimme lästig wurden, gaben sie das Debattieren auf und ver-legten sich aufs Münzenwerfen.«
    »Nein.«
    »Und aufs Veranstalten von Froschrennen natürlich. Das stand immer ganz hoch im Kurs.«
    »Aber die Regierungen«, protestierte sie, »die nahmen das doch sicher nicht einfach hin…«
    »Sie glauben, die scheren sich was drum?« sagte Klein.
    »Solang sie nur im Licht der Öffentlichkeit stehen, was kümmert es sie denn, welchen Sermon sie von sich geben oder wie er zustande gekommen ist?«
    Ihr schwindelte. »Alles Zufall ?« fragte sie.
    »Wieso nicht? Das hat eine sehr ehrwürdige Tradition.
    Nationen sind gefallen aufgrund von Entscheidungen, die aus den Eingeweiden von Schafen gelesen wurden.«
    »Das ist absurd.«
    »Da stimm’ ich Ihnen zu. Aber ich frage Sie, ganz aufrichtig, ist das viel beängstigender, als die Macht in diesen Händen zu lassen?« Er deutete auf die Reihen zorniger Gesichter. Demokratenangst, gestreßt, der morgige Tag könnte kommen, ohne daß sie Gründe für eine Wiederwahl vorzuweisen hätten oder Beifall einheimsen könnten;
    Despoten, die davor zitterten, daß ohne Anweisung ihre Grausamkeiten keinen Anklang mehr fänden und über den Haufen geworfen würden. Ein Premier schien einen Hustenanfall erlitten zu haben und wurde eben von zwei seiner Adjutanten gestützt; ein anderer hielt einen Revolver umklammert und richtete ihn auf den Bildschirm, verlangte dabei ständig Genugtuung; ein dritter kaute an seinem Toupet.
    Waren dies die erlesensten Früchte am Baum der Politik?
    Babbelnde, den wilden Mann spielende, speichelleckerische Idioten, in den Schlaganfall getrieben, weil niemand ihnen sagen wollte, in welche Richtung sie hüpfen sollten? Kein Mann, keine Frau war unter ihnen, denen Vanessa zugetraut hätte, sie sicher über die Straße zu führen.
    »Besser noch die Frösche«, murmelte sie, so bitter der Gedanke auch war.
    Das Licht im Hof war, nach der dumpfen Beleuchtung im Bunker, blendend hell, aber Vanessa war erleichtert, außer Hörweite des schrillen Gekeifs der Bildschirmwände zu sein.
    Sie würden sehr bald ein neues Komitee finden, hatte ihr Klein gesagt, während sie sich nach draußen ins Freie begaben. Es würde lediglich ein paar Wochen dauern, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt wäre. In der Zwischenzeit könnte der Erdball von den desperaten Kreaturen, die sie eben gesehen hatte, in tausend Stücke gesprengt werden. Sie brauchten Entscheidungen, und zwar umgehend.
    »Goldberg ist noch am Leben«, sagte Klein. »Und er wird mit den Spielen weitermachen; aber zum Spielen braucht es zwei.«
    »Weshalb nicht Sie?«
    »Weil er mich haßt. Uns alle. Er sagt, daß er nur mit Ihnen spielen will.«
    Goldberg saß unter den Lorbeerbäumen, beim Patiencelegen. Es war eine langsame Angelegenheit. Seine Kurzsichtigkeit zwang ihn, jede Karte bis auf eine knappe Handbreit vor seine Nase zu halten, um sie zu erkennen, und bis er ans Ende des jeweiligen Satzes gekommen war, hatte er die am Anfang liegenden Karten wieder vergessen.
    »Sie ist

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