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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ein Kriminaler einen Mordschauplatz, verzweifelt nach Spuren suchend.
    Cleve sagte: »Es gab früher mal ‘nen Verschlag zum Hängen, glaub’ ich.«
    Wiederum Schweigen; und dann eine weitere Frage von dem Jungen, so leicht fallengelassen, wie er es nur fertigbrachte.
    »Steht er noch?«
    »Der Verschlag? Das weiß ich nicht. Sie hängen niemanden mehr, Billy, noch nichts davon gehört?« Von drunten kam keine Antwort. »Wieso interessiert dich das überhaupt?«
    »Reine Neugier.«
    Billy hatte recht; neugierig war er. So sonderbar, mit seinem leeren Blick und seinem sich abkapselnden Verhalten, daß die meisten Männer ihn mieden. Nur Lowell hatte ein Interesse an ihm, und seine Motive waren eindeutig.
    »Leihst mir deine Lady den Nachmittag über?« fragte er Cleve, während sie fürs Frühstück Schlange standen. Tait, der in Hörweite stand, sagte nichts; Cleve ebensowenig.
    »Hörst du mich? Ich hab’ dich was gefragt.«
    »Hab’ ich gehört. Du läßt ihn in Ruhe.«
    »Du teilst mit mir und ich mit dir«, sagte Lowell. »Ich kann dir ‘n paar Gefälligkeiten erweisen. Wir können was miteinander ausmachen.«
    »Er ist nicht zu haben.«
    »Wieso frag’ ich eigentlich nicht ihn selber?« sagte Lowell und grinste durch seinen Bart. »Was sagst du, Baby?«
    Tait schaute sich nach Lowell um.
    »Ich sag’ nein danke.«
    »Nein danke « , sagte Lowell und lächelte Cleve zum zweitenmal an, diesmal schon weniger freundlich. »Du hast ihn gut abgerichtet. Macht er auch Männchen und bettelt?«
    »Zieh Leine, Lowell«, antwortete Cleve. »Er ist nicht zu haben, und damit hat sich’s.«
    »Du kannst ihn nicht rund um die Uhr im Auge behalten«, bemerkte Lowell. »Früher oder später muß er auf seinen eigenen zwei Beinen stehen. Außer er kniet lieber.«
    Die boshafte Anspielung entlockte Lowells Zellengenossen Nayler ein Gewieher. Beides waren Männer, denen Cleve sich in einer allgemeinen Rauferei nicht gern in den Weg gestellt hätte, aber seine Fähigkeiten im Bluffen waren eins a, und die wandte er jetzt an.
    »Du willst dich doch nicht selber in Schwierigkeiten bringen«, sagte er zu Lowell, »mit einem Bart kannst du nicht mehr Narben verstecken, als du eh’ schon hast.«
    Lowell sah Cleve an, jeglicher Scherz war nun verflogen. Er konnte offensichtlich die Wahrheit nicht vom Bluff unterscheiden und war ebenso offensichtlich nicht bereit, seinen Hals zu riskieren.
    »Schau bloß nie anderswohin«, sagte er und beließ es dabei.
    Der Zusammenstoß beim Frühstück wurde erst abends erwähnt, als das Licht abgeschaltet worden war. Es war Billy, der darauf zu sprechen kam.
    »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte er. »Lowell ist ein übler Dreckskerl. Hab’ die Unterhaltung gehört.«
    »Du willst, daß man dich vergewaltigt, was?«
    »Nein«, sagte er rasch. »Gott, nein. Ich muß fit sein.«
    »Wenn dich Lowell in die Hände kriegt, bist du für nichts
    mehr fit.«
    Billy glitt aus dem Bett und stellte sich in die Mitte der Zelle, kaum sichtbar in der Düsternis. »Ich nehm’ an, du willst etwas als Gegenleistung«, sagte er.
    Cleve drehte sich auf seinem Kissen herum und sah die undeutliche Silhouette an, die einen Meter von ihm entfernt stand.
    »Und was hättest du mir anzubieten, Billy-Boy?« sagte er.
    »Was Lowell wollte.«
    »Du glaubst, daß es nur darum ging bei der ganzen Kabbelei? Daß ich meinen Besitzanspruch behaupte?«
    »Ja, klar.«
    »Wie du schon sagtest: nein danke.« Cleve wälzte sich wieder herum, kehrte das Gesicht der Wand zu.
    »Ich hatte nicht die Absicht…«
    »Mir egal, was für ‘ne Absicht du hattest. Ich will einfach nichts davon hören, in Ordnung? Du gehst Lowell aus dem Weg und mich läßt du in Ruhe.«
    »He«, murmelte Billy, »sei doch nicht so, bitte. Bitte. Du bist der einzige Freund, den ich hab’.«
    »Ich bin niemandes Freund«, sagte Cleve zur Wand. »Ich will bloß keine Schwierigkeiten, verstanden?«
    »Keine Schwierigkeiten«, wiederholte der Junge schleppend.
    »Ganz recht. Und jetzt… brauch’ ich meinen Schönheitsschlaf.«
    Tait sagte nichts mehr, sondern schlüpfte wieder ins untere Bett, wobei die Sprungfedern quietschten. Cleve lag schwei-
    gend da und ließ sich den Wortwechsel durch den Kopf gehen.
    Er hatte kein Verlangen nach dem Jungen, aber vielleicht hatte er seine Ansicht zu schroff vertreten. Na ja, gesagt war gesagt.
    Unten murmelte Billy fast unhörbar vor sich hin. Cleve strengte sich an zu erlauschen, was der Junge da redete.

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