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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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nicht weggelaufen?
    Anne war die Zweite. Sie war sechzehn, als sie starb.

18. Poole
     
    „Hallo, hören Sie mich?“ Victoria vernahm von fern eine Stimme. „Können Sie mich hören? Mrs. Pratchett, können Sie mich hören?“ Mami, dachte Victoria. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber die hatte man ihr zugeklebt.
    „Mrs. Pratchett, hallo, wenn Sie mich hören können, dann nicken Sie bitte.“
    Wieso hatte man ihr die Augen zugeklebt? Sie wollte den Mund öffnen, sagen, hallo, ich bin Victoria McIntosh, ich höre Sie , aber den Mund hatte man ihr auch zugeklebt. Wieso hatte man ihr Mund und Augen zugeklebt? Ich träume, dachte sie, bitte nicht schon wieder diesen entsetzlichen Traum, in dem ich mich nicht bewegen kann. Ich will schreien und kann nicht, ich will den Arm heben und kann nicht, ich will nicken und kann nicht. Sie fühlte einen Schmerz im rechten Arm, es tat so unglaublich weh. „Sie ist wach, ich glaube, sie kann mich hören“, hörte sie die Frau sagen. Natürlich bin ich nicht wach, ich träume, ich habe einen entsetzlichen Alptraum, dachte Vicky.
    „Mrs. Pratchett, zeigen Sie uns, dass Sie wach sind“, sagte die Frau noch einmal.
    Vicky versuchte erneut ihre Augenlider gegen diesen entsetzlichen Kleber zu stemmen. Sie blinzelte.
    „Aha, willkommen zurück im Leben, Mrs. Pratchett“, sagte ein Mann. Weiß, es war alles weiß. Und so hell, ich will nicht, ich will weiterschlafen, mir tut der Arm so weh.
    Victoria versuchte noch einmal den Mund zu öffnen. „Wo ...“ Mehr brachte sie nicht heraus.
    „Sie sind im Krankenhaus, Mrs. Pratchett. Sie haben noch mal Glück gehabt. Wissen Sie, wie Sie heißen?“
    Victoria versuchte zu nicken. Wie weh das tat. Sie hob einen Arm und befühlte ihren Kopf. Sie fasste in etwas klebrig Verklumptes. „Ich ... bin ... Victoria McIntosh.“ Ging doch. „Victoria McIntosh.“
    „Oh“, sagte die Frau.
    „Was ist passiert?“, fragte Vicky.
    „Sie hatten einen Unfall. Einen schweren Unfall. Wir dachten, Sie seien Fiona Pratchett, ihr Wagen ist auf Fiona Pratchett zugelassen.“
    Vicky schloss die Augen. Ihr Kopf dröhnte. Langsam kam alles wieder. „Fiona Pratchett ist ... Meine Mutter ist tot.“ Warum konnte sie nicht einfach weiterschlafen, diesen tiefen, traumlosen, erlösenden Schlaf. Sie war so müde.
    „Wir bringen Sie jetzt zum Röntgen“, sagte die Stimme. Victoria hörte sie nur von ferne, während sie hinüberglitt in ein tröstliches Nichts.
    Mit einem Schrei kam Victoria wieder zu sich. „Schon gut, schon gut, Mrs. McIntosh, wir haben ihren Arm eingerenkt“, sagte ein junger Mann in Weiß.
    „Was ist mit mir?“, fragte Vicky den – wie sie fand – blutjungen Arzt, der sich ihre Röntgenbilder konzentriert anschaute. „Gehirnerschütterung, Schleudertrauma, ein paar Prellungen, ein paar gebrochene Rippen, eine gebrochene Nase, ein paar Schürfwunden, erstaunlicherweise nichts wirklich Ernstes“, sagte er. „Den Arm haben wir gerade eingerenkt, und Ihre Nase haben wir auch gerichtet. So gerade war die vorher bestimmt nicht, nahezu klassisches Griechenland. Die Wunden im Gesicht haben wir geklebt, die werden voraussichtlich keine Narben hinterlassen. Jetzt bindet Schwester Julie Ihnen noch einen coolen Turban und eine angesagte Halskrause, und dann dürfen Sie sich ausruhen.“
    „Nichts Ernstes also“, sagte Vicky. Ihr Kopf dröhnte, und der Arm tat entsetzlich weh. „Und wozu dann das?“ Sie hob den Arm und zeigte auf den darin steckenden Schlauch.
    „Schmerzmittel. Antibiotika. Wir sehen uns morgen“, sagte der Arzt, der Vicky nun richtiggehend kindlich vorkam.
    „Mir ist schlecht“, sagte Vicky mit einem Stöhnen.
    „Sag ich doch, Gehirnerschütterung“, sagte der Arzt an der Tür. Schwester Julie reichte ihr eine Spuckschale.
    „So, das brennt jetzt ein bisschen“, sagte die Schwester und machte sich an die Reinigung der Platzwunde am Kopf. „Die Polizei sagt, dass Sie ein Glückskind sind. Jeder normale Mensch hätte diesen Unfall nicht überlebt. Es grenzt an ein Wunder, haben die gesagt.“
    „Wissen Sie, was passiert ist?“, fragte Vicky die Schwester, deren wogender Busen beruhigend auf sie wirkte.
    „Nicht genau, aber die Polizei will nachher noch mit Ihnen reden. Die werden Ihnen bestimmt Näheres sagen können. Soll ich jemanden für Sie benachrichtigen?“
    Vickys Gedanken überschlugen sich. „Wo ist mein Handy?“
    „Handy? Kindchen, seien Sie froh, dass Sie mit dem nackten Leben

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