Das 5. Gebot (German Edition)
gefüllt mit herrlich duftendem Mousse au Chocolat, ein farbenfroher Traum mit mindestens achttausend Kalorien.
„Leo, ich hasse dich, wie kannst du mich so erschrecken?“, sagte sie und wischte sich verstohlen die Träne weg.
„Greif zu, Häseken, Nervennahrung. Ich konnte einfach nicht widerstehen, als ich nebenan die Confiserie sah!“
Sie brauchten nicht mehr als zehn Minuten für die achttausend Kalorien, aber Vicky musste zugeben, dass sie selten etwas ähnlich Köstliches gegessen hatte. Nach dem zweiten Mokka-Eclair hatte Vicky Leo verziehen.
„Verdammt, ich erreiche George einfach nicht. Warum ruft er nicht zurück?“
„Vielleicht ist sein Handy kaputt?“, mutmaßte Leo.
„Ja, aber er hat doch meine Nummer auf dem Anrufbeantworter zu Hause.“
40. Trudi
Auf sie hatte er auch nicht aufgepasst: Trudi. Nummer neun. Wie sie da gestanden hatte, am Ufer des Schlachtensees, und ihn aus empörten, dunklen Augen angefunkelt hatte.
„Pfui, schämen Sie sich“, hatte sie gerufen, als er zufällig dazugekommen war, wie sie ihren nassen Badeanzug ausgezogen hatte. Trudi war eine Schönheit. Lange, schlanke Beine wie Nora Lizzy, große braune Augen, in denen der Schalk zu wohnen schien, und eine Stimme, die eine Verheißung war. Er hatte genau zehn Sekunden gebraucht, um sich in Trudi zu verlieben. Zehn Sekunden, in denen sein Leben eine neue Wendung genommen hatte. Es war alles richtig, es war alles so gekommen, wie er es hatte haben wollen. Vier Monate später hatten sie geheiratet. Sein Vater hatte Trudi noch kennengelernt. Er war von ihr genauso hingerissen gewesen wie er. Trudi war ein Luder nach seinem Geschmack gewesen. Das Leben schien so einfach damals.
Trudi, Trudi, Trudi. Warum hast du mich nur verlassen? Wie konntest du annehmen, dass ich alleine mit diesem verfluchten Leben fertigwerden könnte? Wie konntest du nur glauben, dass ich ohne dich weiterleben könnte? WIE KONNTEST DU MIR DAS ANTUN?
Alles war gut vorbereitet. Alle waren weggeschickt worden, dem Personal freigegeben. Der Abschiedsbrief war geschrieben. Ein unblutiges Ende, Tabletten, so wie damals Nora Lizzy.
41. Gerhard
Nora Lizzy, seine Mutter. Sie hatte sich aus Liebe umgebracht. Aus Liebe zu ihm und zu seinem Vater. Die Ärzte hatten ihr nur noch ein paar Monate gegeben, vielleicht ein Jahr, in dem sie und ihre Angehörigen entsetzlich würden leiden müssen. Das wollte sie ihrer Familie ersparen. Wie einsam er sich damals gefühlt hatte. So unendlich allein mit seiner kleinen Schwester Verena.
Wenn da nicht Anne gewesen wäre. Die Tochter ihrer Nachbarn, Anne, seine Kinderfreundin. Bis sich eines Tages etwas anderes zwischen ihnen zu entwickeln begann. Etwas, das stärker war, als gemeinsam geklaute Zigaretten zu rauchen. Anne, der er die Sterne vom Himmel hatte holen wollen. Bis sie Anne geholt hatten. Was hätte er denn tun sollen? Wie hätte er ihr helfen können? Sie war einfach fort gewesen, über Nacht. Er hatte sie nie wieder gesehen. Jahrelang hatte er an sie gedacht, hatte sich geschämt, hatte sich wieder und wieder gefragt, was er hätte tun können. Anne war sechzehn gewesen, als sie im Konzentrationslager in Dachau starb. Aber das hatte er erst viele Jahre später erfahren. Erst, als sie ihn aus der Kriegsgefangenschaft in Sibirien wieder nach Hause geschickt hatten. Nach fünf langen Jahren, in denen er sich da unten bei Kaschasuppe und trocken Brot den Arsch abgefroren hatte. Und dann lernte er Trudi kennen.
Trudi war genauso, wie er sich eine richtige Frau erträumt hatte. Eine Frau, das war für ihn eine, die wusste, was sie wollte. Und die ihre Reize dafür einsetzte, alles zu bekommen, was sie wollte. So eine Frau konnte einen Mann lenken, ihn dahin bringen, wohin sie ihn haben wollte, ihn zum Erfolg führen, ihn zu Höchstleistungen anspornen. Oh, er hatte gesehen, wie seine Mutter seinen Vater um den Finger gewickelt hatte. Der hatte keine Chance, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. So musste eine Frau sein. Und genauso ein wunderbares Luder war seine Trudi.
Was für ein glückliches Paar sie doch gewesen waren. Das waren sie doch gewesen, oder etwa nicht? Natürlich hatte er nicht viel Zeit für sie gehabt, am Anfang, als Petra noch klein war. Er musste doch die Firma aufbauen, damals, in den Wirtschaftswunderjahren. Hatte sich einen Jungen gewünscht. Einen, der mal die Firma übernimmt, nicht wahr. Aber dann war da Petra, der kleine Sturkopf. Sie hatte nichts von Trudis
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