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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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diesen Brief nicht diktiert, sondern mit meiner gesunden linken Hand geschrieben habe. Ich wollte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Ich hoffe, Sie können meine Krakelei lesen und erfüllen einem alten Mann seinen letzten Wunsch.
    Herzlichst
    Ihr Gerhard Grunwald

George ließ den Brief sinken. Wie merkwürdig. Vielleicht sollte er den Kerl anrufen. Was dachte der sich eigentlich? Ist bestimmt so ein alter Lustmolch. Beobachtet Vicky seit Wochen. Familiäre Angelegenheit. Aber Vicky war verschwunden, so viel stand fest. Und irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Das Briefpapier war teuer, erlesenste Qualität. So was hat heute kein Mensch mehr. Der Name als Prägedruck. Grunwald. Gab es nicht ein Bankhaus mit diesem Namen? Er schaute noch mal auf die Adresse. Es war hier in der Nähe, er konnte sich zwar nicht so genau erinnern, wo, aber den Straßennamen hatte er mehrmals gelesen, wenn er zur Arbeit fuhr. Er schnappte sich den Laptop und gab die Adresse bei Google Earth ein. Als sich die Seite langsam aufbaute, musste George schlucken. Es handelte sich um eine Villa, direkt an einem See. Wahrscheinlich der Schlachtensee. Hatte er nicht geschrieben, er hätte Vicky am Schlachtensee angesprochen?
    Komm, George, frisch gewagt ist halb gewonnen. Er schaute auf die Uhr, es war erst halb acht, da konnte man getrost noch anrufen. George wählte die Nummer. Nach einer gefühlten Ewigkeit meldete sich eine Frauenstimme. „Hier bei Grunwald.“
    „Guten Tag, mein Name ist McIntosh, könnte ich Herrn Grunwald sprechen?“ George hoffte, dass Gerhard Grunwald Englisch sprach, denn so gut waren seine Deutschkenntnisse nun doch nicht.
    „Moment bitte“, sagte die Frau, und es klickte, als ob das Telefon umgestellt wurde. „Grunwald“, krächzte eine brüchige Stimme in sein Ohr.
    „McIntosh“, gab George zurück.
    „Mr. McIntosh? Guten Abend, sprechen Sie Deutsch oder wollen wir uns auf Englisch unterhalten?“
    Das stimmte George gnädiger. „Englisch wäre sicher einfacher. Für mich jedenfalls.“
    „Öffnen Sie immer die Post Ihrer Frau?“, fragte Grunwald auf Englisch.
    „Beobachten Sie immer fremde Frauen am See?“
    „Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe nur eine einzige Frage“, sagte der Alte, „hat Ihre Frau eine Zwillingsschwester?“
    George schluckte. „Bis vor einigen Tagen jedenfalls nicht. Bis sie im Grunewald eine Leiche gefunden hat. Seitdem bildet sie sich ein, dass sie auf ihre Schwester gestoßen ist.“
    Während George das aussprach, wurde ihm heiß. Verdammt, wenn der Alte dahintersteckte. Er musste sich sofort mit der Polizei in Verbindung setzen.
    Am anderen Ende des Telefons war es still geworden.
    „Hallo“, rief er in den Hörer, „sind Sie noch dran?“
    Der alte Mann räusperte sich. „Entschuldigung“, sagte er und räusperte sich noch mal. „Entschuldigung, etwa die Frau, die vor ein paar Tagen an der Krummen Lanke vergewaltigt worden ist?“
    „Was wissen Sie darüber?“, fragte George. Im gleichen Moment wurde ihm klar, dass das eine sehr blöde Frage war.
    „Darf ich mit Ihrer Frau sprechen, bitte!“
    „Das würde ich selbst gerne, meine Frau ist aber leider seit gestern spurlos verschwunden. In England verschwunden. Angeblich hatte sie einen Autounfall. Dann ist sie aus dem Krankenhaus weggelaufen. Ich habe keine Ahnung, wo meine Frau ist!“
    „Mr. McIntosh“, jetzt bellte der Alte wieder, „kommen Sie sofort zu mir. Auf der Stelle. Ihre Frau schwebt in höchster Gefahr. Wenn Sie Ihre Frau lieben, dann glauben Sie mir und kommen Sie. Sofort! Schnell!“
    So hatte mit George das letzte Mal sein Klassenlehrer in der fünften Klasse gesprochen. Er war so perplex, dass er sich nicht etwa den Ton verbat, sondern zustimmte, sofort in die Terrassenstraße zu fahren.

38. Birgit und Manuela
     
    Was hatte er nur getan? Nummer sieben und acht. Fort, verschwunden, über Nacht aus seinem Leben ausradiert. Birgit und Manuela. Zwei entzückende kleine Luder, ganz nach seinem Geschmack. Mit blitzenden, braunen Augen und dunklen Locken. Er würde nie den Duft ihrer samtigen Haut vergessen, das Gefühl, wenn ihm ihre braunen Ringellöckchen durch die Hände flossen. Manchmal, da meinte er noch ihr Lachen zu hören, die Kiefern wehten es herauf vom See, dieses unbeschwerte Klein-Mädchen-Lachen. Nie würde er vergessen, was er ihnen versprochen und nicht gehalten hatte: dass er immer für sie da sein würde, immer, immer, immer. Dass er sie beschützen

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