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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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erschrecken, nicht zu langsam, damit kein gefährliches Tier fürchten musste, dass wir etwas von ihm wollten. Die Könige des Dschungels sind die Insekten. „Aber das gefährlichste Tier im Dschungel ist der Mensch“, pflegten die Einheimischen zu sagen.
    Als wir ins Camp kamen, war man gerade dabei, für eine Schotterstraße zum nächsten Marktflecken die Bäume zu roden. Es war ein harter Kampf mit dem Regenwald, dem wir Zentimeter für Zentimeter unser Land abringen mussten.
    Aber mit der Zeit ging es vorwärts, wenn auch nur langsam. Wir bauten Häuser, legten Bananen- und Mangoplantagen an, pflanzten Zitronen- und Orangenbäume, Tabak, Kokospalmen, Bohnen und Chili. Und wir bauten Maniok an. Draus machten wir Mehl, mit dem wir dann unser Brot gebacken haben. Später kam eine Hühnerzucht dazu, auch Schweine und ein paar Rinder wurden gehalten. Es war eine gute, eine ehrliche Arbeit, wir lachten dabei und sangen.
    Dad lernte ich zunächst nur über Lautsprecher kennen, denn seine Worte begleiteten uns bei unserer Arbeit, wir empfingen ihn per Radiokurzwelle.
    Ja, ja, ja, mein Herz jubilierte, wenn ich seinen Worten lauschte, das war es, was ich wollte. Eine sozialistische Gemeinschaft, in der alle Menschen gleich waren und Schwarz und Weiß in Eintracht miteinander leben konnten.
    Meine kleine Isabelle war der Liebling der Gemeinschaft. Sie hatte bald mehr als hundert Mütter und Väter, und als sie ihre ersten Schritte machte, waren schon ein paar Spielkameraden dazugekommen. Ich übernahm neben meiner geliebten Arbeit die Betreuung der Kleinkinder. Ich war, wenn man so will, die erste Kindergärtnerin des Projekts. Anfangs war meine Krabbelgruppe so klein, dass ich sie ohne Probleme von Feld zu Feld mitnehmen konnte.
    Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Brüder und Schwestern nach Guyana. Bald hatten wir alles, was ein funktionierendes Gemeinwesen benötigt: Wir bauten ein Lazarett mit einem ordentlichen Operationssaal, eine Zahnklinik, einen Kindergarten und sogar eine Schule. Es gab eine Zentralküche mit einem großen Essraum, wo wir uns regelmäßig zu den Mahlzeiten trafen. Für alle qualifizierten Arbeiten hatten wir Spezialisten. Falls nötig, wurde jemand angeworben, der einen von uns zum Spezialisten ausbildete. Am Abend sahen wir Filme, sangen, beteten und diskutierten.
    An dieser Stelle stockte Leo. „Oh, verflucht. Ich ahne, worauf das hinausläuft.“
    Dominique sah ihn aufmerksam an. „Denkst du das Gleiche wie ich?“
    Leo nickte.
    „Wollt ihr mich dumm sterben lassen oder was, ich verstehe im Moment nur Bahnhof“, sagte Vicky.
    Da drangen von unten Geräusche hinauf.
    „Was war das?“, fragte Vicky. Auch Dominique hatte lauschend den Kopf gehoben. „Ach, nur die Nachbarskatze, die kommt immer durchs Kellerfenster und macht auf der frisch gewaschenen Wäsche ein Nickerchen.“
    Leo übersetzte weiter.
    Dad kam immer häufiger zu uns, ich liebte ihn, wie ich meinen eigenen Vater nie habe lieben können. Er war ein charismatischer Mann, der mich von der ersten Sekunde an faszinierte. Man hatte das Gefühl, dass sein Blick direkt ins Herz traf und er all die Dinge sah, die man vor anderen so gern verbirgt. Ich habe ihn wirklich verehrt.
    Immer wieder habe ich mich gefragt, wann es schiefzugehen begann. Dabei war es vielleicht bereits in den USA schiefgelaufen, lange bevor ich zu der Gruppe gestoßen war.
    Wir waren damals so etwas wie die Vorhut für unsere Gemeinde. Die Gründermütter und -väter sozusagen. Dad hatte das Gelände in weiser Voraussicht gekauft, weil unsere Brüder und Schwestern in den USA ins Visier der CIA geraten waren. Wir hatten alles vorbereitet, damit die gesamte Gemeinde umsiedeln konnte, wir waren darauf vorbereitet gewesen, dass die anderen folgen würden. Allerdings war es dann wie eine Massenflucht, als sich 1977 fast die gesamte Gemeinde aus den USA in Guyana niederließ.
    Für uns, die wir das Camp aufgebaut hatten, war das eine riesige Umstellung. Auf einmal war unser Paradies von mehr als tausend Menschen besiedelt.
    Das Land musste jetzt sehr viele ernähren, manchmal waren die Essensrationen deshalb knapp bemessen. Noch war es uns nicht gelungen, uns vollständig selbst zu versorgen, obwohl wir schon seit zwei Jahren unsere landwirtschaftlichen Produkte entweder in Georgetown verkauften oder aber bei den Indianern gegen Waren eintauschten, die wir benötigten. Wenn abends alle gleichzeitig duschen wollten, kamen oft nur noch Tropfen aus den Duschen, die

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