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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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diese unmenschlichen Schreie, Rufe, Schüsse. Fiona und ich stürzten zum Ausgang – unsere Babys, wir mussten zu unseren Kindern, auch Fiona hatte eine kleine Tochter. Alle Schmerzen waren vergessen, unsere Kinder, wir mussten zu unseren Kindern. Vorsichtig schlichen wir uns durch die Büsche Richtung Gemeinschaftshaus. Wir wussten ja nicht, was uns erwartete, es hörte sich an wie ein Überfall. Die CIA? Banditen?
    Und dann sahen wir es: Menschen, Leiber, da lagen sie, auf den Wegen zum Gemeinschaftsraum, aneinandergeklammert, mit offenen Mündern, überall, überall, der Erdboden war übersät mit Menschen – Freunde, Brüder und Schwestern. Und dann hörten wir wieder Gewehrsalven. Danach war es totenstill. Nicht einmal ein Vogel schrie. Fiona rannte ohne Deckung auf die Leiber zu, untersuchte sie, schüttelte den Kopf, schrie, schrie, oh Gott, sie schrie: VICKY! VICKY! Ich stolperte vorwärts, ihr nach, schrie: ISABELLE! BELLA! Keine Antwort, kein Rascheln, kein Wimmern.
    Im Gemeinschaftsraum haben wir sie gefunden. Wir waren wie von Sinnen, wateten zwischen Leibern von Kindern, Babys, so viele tote Babys, Hunderte, so viele tote Kinder. Isabelle. Mein Baby, meine schöne, dunkelhäutige Isabelle. Ihr Händchen hatte sie in das T-Shirt eines kleinen Jungen verkrallt, die großen, dunkelbraunen Augen schauten ungläubig, der Mund war leicht geöffnet, so, als wollte er Mama rufen. In diesem Moment bin ich gestorben.
    Ich versank zwischen den Kindern, die noch ganz warm waren. Als ich wieder zu mir kam, rüttelte Fiona an mir. „Komm, komm um Gottes willen, komm hier weg!“, flüsterte sie. Ich rappelte mich auf und folgte ihr. Willenlos. Fiona nahm meinen Arm und rannte im Schatten der Hecken mitten hinein in die Pflanzungen. Ich folgte ihr, fragte nicht wohin, wir liefen blind, es war dunkel, Nacht, wir stolperten, hatten keine Lampe, nichts, nur weg, nur weg, immer geradeaus. Wir dachten nichts, wir fühlten keinen Schmerz, wir fühlten nichts mehr, wir waren ausgelöscht.
    Irgendwann blieben wir stehen und lauschten in die Nacht. Nichts war zu hören außer dem üblichen Lärmen des Dschungels. Die Stille brüllte uns an – oder war es das Blut, das in unseren Ohren rauschte? Wohin, Fiona, wohin? Weg, weg, einfach nur weg. Wir strauchelten durch den Dschungel, es war uns egal, welche giftigen oder gefräßigen Tiere wir erschreckten, dem gefährlichsten Tier hatten wir soeben ins Maul geschaut. Als der Morgen dämmerte, hörten wir Hubschrauber, sie hatten wohl das entdeckt, was später als Massaker von Jonestown in die Geschichte eingehen würde. Nur schnell fort, weg, ganz weit weg. Wir haben nicht diskutiert, ob wir weiterlaufen oder umkehren sollen, wir haben überhaupt nicht geredet. Wir waren stumm vor Schmerz, vor Schreck, sicher standen wir unter Schock, ich weiß es nicht. Natürlich wussten wir nicht, wohin, es war wie ein Zwang weiterzulaufen, immer vorwärts, immer vorwärts. Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir durch den Dschungel geirrt sind, als wir plötzlich ein Wimmern hörten. Es war das Wimmern eines verletzten Tieres, das Weinen eines verzweifelten Kindes. Es war ein Wimmern, das jeder Mutter signalisiert: Es ist ernst, ich brauche Hilfe. Wir blieben wie ferngesteuert stehen. Wir sahen nichts. Sollten wir rufen? Besser nicht. Ich erinnerte mich daran, was die Eingeborenen uns beigebracht hatten. Nicht zu schnell und nicht zu langsam bewegen im Dschungel. Kein Tier aufschrecken, keinem Tier das Gefühl geben, es zu verfolgen. Und so bewegte ich mich zwischen all den Ficus Benjamini und den Palmen und Gummibäumen hindurch und schaute vorsichtig nach, woher das Wimmern und Weinen rührte. Es kam hinter einem kleinen Wasserfall hervor, wo ich etwas Rotes leuchten sah. „Hallo, ist da jemand?“, rief ich. Das Weinen wurde lauter. Fiona lief an mir vorbei und kletterte über einen kleinen Felsen, hinter den Wasserfall. Vor dem Wasserfall hatte sich ein kleiner Teich gebildet.
    Da steckte Fiona den Kopf durch den Wasservorhang und rief: „Komm her, bitte! Aber langsam und vorsichtig.“ Ich umrundete den Teich, kletterte wie zuvor Fiona über den glitschigen Felsen und rutschte in die Tiefe, ohne mich halten zu können. Dumpf schlug mein Körper auf einem Felsen auf, ich versuchte, den Sturz abzufedern, es gelang mir nicht. Ich landete direkt neben Fiona, die sich über den Körper einer Frau beugte. Ich hob mühsam den Kopf, versuchte, die Beine zu bewegen, die Hände, ich fühlte

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