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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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dem es keine Vorurteile gab, keinen Besitz, sondern nur Gemeinschaftseigentum. Das Gelobte Land, in dem der wahre Sozialismus praktiziert wurde, geführt von einem barmherzigen, mildtätigen Mann, den sie Dad nannte. Jean und ihre Freunde würden das Gelobte Land mit aufbauen helfen.
    Jean war mein Fingerzeig Gottes, davon war ich überzeugt. Jean, meine Prophetin, würde uns helfen. Denn dass das Paradies der Ort war, an den wir gehörten, stand für mich außer Frage. Jean erfasste unsere Situation schnell. Bevor die französischen Behörden uns heim nach Lyon schicken konnten, wies sie ihren Bruder an, uns auf dem Schiff zu verstecken.
    Eine Woche später konnte Jean das Krankenhaus verlassen, und mit reichlich Proviant an Bord stachen wir in See.
    Wir fuhren an der Küste entlang, vorbei an Suriname. Ich werde nie dieses grenzenlose Blau vergessen, das mir wie eine Verheißung erschien für ein wundervolles Leben für mein Baby und mich. In allem, was ich sah, sah ich Gottes Zeichen. Außer uns waren neun Amerikaner an Bord, drei Männer und sechs Frauen. „Isabelle ist unser erstes Baby“, freuten sie sich. Von der ersten Minute an fühlte ich mich an Bord zu Hause. Diese Menschen waren so großzügig, so fröhlich und unbeschwert, sie leuchteten von innen, ja, sie kamen mir wirklich erleuchtet vor.
    Jean und ihr Bruder hatten uns aus Französisch-Guyana herausgeschmuggelt, damit wir nicht zurück nach Lyon geschickt wurden. Nun mussten sie uns nach Guyana hereinschmuggeln, denn natürlich hätten wir dort ein Visum gebraucht. Es war nicht besonders schwer, in einer Bucht verließen wir das Meer und fuhren ins Orinoko Delta.
    Dominique hatte auf seinem Notebook die Karte von Südamerika hochgeladen. Er zeigte Vicky, wie der Reiseverlauf von Baby Isabelle gewesen war.
    „Verstehe ich nicht“, sagte Vicky, „wieso brauchte denn Isas Mutter für Französisch-Guyana kein Visum, und warum musste man sie dann in Britisch-Guyana einschmuggeln?“
    „Britisch-Guayana, heute einfach nur Guyana, ist ein südamerikanisches Land, eine selbstständige Republik, während Französisch-Guayana ein Teil von Frankreich ist und im Übrigen heute sogar zur EU gehört“, sagte Dominique.
    „Da ist auch der europäische Weltraumbahnhof, in Kourou“, sagte Leo.
    „Komm, lies weiter“, sagte Vicky, die vor Nervosität an ihrem Schal herumkaute.
    Auf dem Boot gab es alles, was wir benötigten. Jean hatte sogar daran gedacht, für mein Baby waschbare Windeln kaufen zu lassen. Natürlich war die Reise ins Paradies kein Zuckerschlecken. Wir fuhren auf Wasserwegen, die immer schmaler wurden, endlos lange ins Niemandsland, rechts und links Mangrovenufer, nur selten war ein Indianerdorf zu sehen. Eine Familie von rosafarbenen Süßwasser-Delfinen hatte sich uns angeschlossen, sie schienen mit dem Boot Fangen zu spielen. Es war feucht und unglaublich heiß, natürlich war ich das Klima überhaupt nicht gewohnt.
    Nach vielen Stunden Fahrt ertönte vom Ufer her lautes Geschrei. Alle waren an Deck und winkten aufgeregt. Offensichtlich hatten wir unser Ziel erreicht. Unser Boot ging vor Anker, wir wateten durch das Wasser an Land und wurden von einer Handvoll Menschen herzlich begrüßt. Willkommen im Paradies. Bis dahin mussten wir allerdings noch ein paar Stunden durch den Dschungel laufen. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit dem Urwald in Berührung kam. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie laut die Stille im Dschungel brüllt. Vögel, Insekten, Affen, alles schreit durcheinander. Die Bäume waren genau die gleichen, die man bei uns zu Hause als Grünpflanzen hielt, nur größer. Ich war fasziniert.
    Das Empfangskomitee im Paradies waren schwer bewaffnete Wächter. „Wegen der Überfälle“, sagte man uns. Das Paradies bestand damals aus ein paar Hütten. Als wir ankamen, lebten noch nicht sehr viele Menschen dort, fünfzig, sechzig vielleicht, die Kolonie stand noch ganz am Anfang.
    Was auch immer später passierte, damals war es für mich wirklich das Paradies. Plötzlich hatten wir eine Familie, die uns Liebe und Achtung entgegenbrachte. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so geborgen gefühlt. Natürlich haben wir schwer gearbeitet. Es gab so viel zu tun, wir bauten unser eigenes Gelobtes Land. Eingeborene halfen uns dabei, den Urwald zu roden, wir lernten von ihnen, was man wo und wie am besten anbaut. Und wir lernten von ihnen, uns im Dschungel richtig zu bewegen, nicht zu schnell, um kein Tier zu

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