Das 5-Minuten-Grauen
honigsüß. »Wir vermieten gern an Sie beide.«
»Laß mich das machen.« Flora drängte die Frau zur Seite. »Sie wollen also hier wohnen?«
Ich wollte, daß Rita auch etwas sagte und schaute sie an. Sie nahm den Ball auf.
»Ja, das hatten wir vor.«
»Zimmer sind genügend vorhanden. Muß ich Ihnen ein Doppelzimmer anbieten? Sind Sie verheiratet?«
»Nein«, sagte ich schnell, »nur befreundet.«
»Dann verlangt es die Moral, daß Sie getrennt schlafen«, flötete Flora zuckersüß. »Wir sind nämlich noch etwas altmodisch, wenn Sie verstehen.«
Im Hintergrund kicherte Erica. »Nicht immer…«
Als Flora ihr einen strafenden Blick zuwarf, preßte sie rasch ihren Handballen gegen den Mund.
»Was meinst du, Rita?«
Es war ihr nicht recht, das sah ich ihr an. Um des lieben Friedens willen stimmte sie zu.
»Gut!« Mehr sagte Flora nicht. Es klang mir trotzdem bei ihr wie eine Erlösung. »Dann darf ich Sie jetzt bitten, mir Ihre Namen zu sagen. Es muß ja alles seine Ordnung haben.«
»Gern.« Mit meinem Namen konnten sie nicht viel anfangen. Ich hoffte nur, daß sie nicht über Ritas stolperten.
Das geschah nicht. Jede der vier Frauen nahm ihn mit regungslosem Gesicht zur Kenntnis.
Flora sprach weiter. »Ihre Zimmer liegen oben. Wenn Sie mir bitte folgen würden!« Sie drehte sich halb und deutete auf eine dunkle Holztreppe mit breiten Stufen, die in der Mitte von einem tiefroten Läufer mit Motiven belegt war.
»Ja, danke«, sagte ich.
»Warten Sie, Monsieur Sinclair, ich gehe vor.«
Flora ging vor, die anderen blieben auch bei uns. Nur stiegen sie hinter uns die Treppe hoch, die in einem breiten Gang mündete, der an einer Seite Fenster besaß, zur anderen durch die Türnischen aufgelockert wurde.
»Wenn Sie ein Bad nehmen oder duschen wollen, finden Sie den Raum hinten links.«
»Danke.«
Flora lächelte nur, während Georgette hinter mir wisperte: »Sie bekommen zwei verschiedene Zimmer, aber es gibt eine Verbindungstür. Wenn Sie artig sind, kann ich Ihnen sogar den Schlüssel besorgen, Monsieur John.«
»Mal sehen.«
Rita schwieg. Sie sah aus, als hätte sie sich am liebsten weit fortgewünscht, wahrscheinlich bereute sie es bereits, mich begleitet zu haben.
Man zeigte ihr zuerst das Zimmer. Clara und Flora übernahmen es. Als ich mit hineingehen wollte, zupften mich die beiden anderen Frauen von zwei Seiten am Ärmel.
»Nein, kommen Sie, Monsieur John.« Georgette strahlte mich hinter ihren Brillengläsern an. »Bitte, ich…«
Sanft drückte sie mich nach links, wo Frica bereits stand und die Tür aufschloß. »Hier ist Ihr Zimmer.«
Die beiden ließen mich vorgehen. Erica machte die Tür eng. Mein Ellbogen streifte ihren etwas großen Vorbau, und ich sah, wie sie lächelte.
Das konnte ja heiter werden…
Die Tapeten sahen dunkel aus. Hinzu kamen die nicht gerade hellen Möbel, was dem Raum einen weiteren Prozentsatz von Traurigkeit verlieh. Dafür war es ziemlich groß, die Decke sehr hoch, passend zu dem ebenfalls großen Fenster. »Nun, Monsieur John?«
Ich nickte Georgette zu, bevor ich den Koffer abstellte. »Ja, ich bin überrascht. Es ist groß, man bekommt Luft…«
»So soll es auch sein. Wann dürfen wir Sie zu einem Kaffee erwarten?«
»Wann sollen wir kommen?«
»In einer Stunde?«
»Okay, ich bin einverstanden.«
Sie lächelten mich an. Ihre Gesichter kamen mir dabei vor wie Masken. Was sie tatsächlich dachten, das verbargen sie meiner Ansicht nach sehr geschickt.
Leise schlossen sie die Tür, und ich ließ mich auf das hohe Bett sinken, wobei ich die Augen verdrehte.
Diese vier ›Damen‹ hatten mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt. Einzeln waren sie harmlos, zu viert aber würden sie es schaffen, uns Ärger zu bereiten.
Ich ging zum Fenster. Die Vorhänge rochen muffig und auch nach Mottenpulver. Die Gardine war so weit aufgezogen, daß ich nach draußen schauen konnte.
Viel Landschaft gab es zu sehen, die Steilküste, die graue See, lange Wellenkämme, weiße Schaumstreifen…
Das Land kam mir nackt vor. Einige Schneereste lagen noch auf dem winterlich gefärbten Gras. Das Haus stand sehr einsam. Wer von hier fliehen wollte, mußte weit laufen, um einen bewohnten Ort zu erreichen. Ohne anzuklopfen, stürmte Rita in mein Zimmer. »Ich werd' nicht mehr«, stöhnte sie und warf sich auf mein Bett. »Verdammt noch mal, was ist denn hier los?«
»Bestimmt nicht der Bär.«
Sie schleuderte ihre Beine vor und stand auf. »Nein, eher das Gegenteil. Bin
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