DAS 5. OPFER
von seinem Burger und kaute langsam und unappetitlich. Reggie konnte sehen, dass ihm die meisten seiner Vorderzähne fehlten. Sie versuchte, sich ihn vor fünfundzwanzig Jahren vorzustellen, fragte sich, ob er jemals gut ausgesehen hatte.
»Sie ist wieder da, wissen Sie das? Sie lebt. Haben Sie davon gehört?«
Er nickte, war mit dem Kauen fertig und schluckte. »Ich könnte so etwas gehört haben.«
»Sie erinnern sich nicht zufällig daran, wann Sie sie das letzte Mal gesehen haben?«, fragte sie.
Er grinste. »Ich bin ein alter Mann. Sie erwarten von mir, dass ich mich an etwas erinnere, das so weit zurückliegt?«
»Sehen Sie, es ist so: Ich sah meine Mom an dem Tag, bevor ihre Hand auf den Stufen der Polizeiwache zurückgelassen wurde. Sie war an der Bowlingbahn. Ich sah, wie sie in ein braunes Auto mit zerbrochenem Rücklicht stieg. Und ich bin ziemlich sicher, dass es Ihr Auto war.«
Er schüttelte den Kopf. »War ich nicht. Ich habe das den Bullen bereits tausend Mal gesagt.« Er kehrte zu seinem Burger zurück, ignorierte sie.
»Rabbit«, sagte sie mit leiser, beruhigender Stimme. »Meine Mom hat früher dauernd von Ihnen geredet. Ich erinnere mich daran, dass sie immer ganz euphorisch war, sogar sang, wenn sie sich fertig machte, um Sie irgendwo zu treffen. Ich weiß nicht viel darüber, was zwischen Ihnen und ihr vorgegangen ist, aber da ist eine Sache, die ich sicher weiß: Sie liebte Sie.«
Er legte seinen Burger weg und betrachtete sie einen Moment. Dann räusperte er sich und sagte mit leiser Stimme: »Ich war an diesem Tag nirgendwo auch nur in der Nähe der Bowlingbahn, und ich habe Zeugen, um es zu beweisen. Vera wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Die Wahrheit ist, wir hatten bereits Probleme, bevor ich verhaftet worden war.«
Reggie nickte so freundlich wie sie konnte. »Warum war das so?«
»Sie hatte diese Freundin. Diese Mädel namens Candy.« Er wischte sich das Gesicht mit einer Serviette ab, verschmierte dabei den Ketchup nur noch mehr. »Und ich schätze, ich hatte eines Nachts wohl Lust auf was Süßes.« Er schenkte Reggie ein lüsternes Lächeln. »Man kann das jetzt nicht mehr sehen, aber ich bin mal gut bei den Damen angekommen.«
Reggie nickte und dachte, dass er recht hatte – sie konnte das nicht sehen, hatte ernsthafte Schwierigkeiten, es sich vorzustellen.
»Vera war wirklich stinksauer, als sie es herausfand. Scheiße, es war ja nicht so, als wären wir verheiratet gewesen oder so was.«
»Aber Sie haben meine Mom wiedergesehen, nachdem Sie aus dem Gefängnis kamen, richtig? Bevor sie vermisst wurde.«
»Ja. Als ich aus dem Gefängnis kam, gingen wir ein- oder zweimal aus, aber sie hat mich abserviert. Ich habe mir damals wirklich große Mühe gegeben. Wissen Sie, alles aufzuräumen. Um neu anfangen zu können, schätze ich. Aber manche Leute, die kriegen einfach keine zweite Chance.«
Eine Glocke ging in Reggies Kopf los. »Zweite Chance«, sagte Reggie. »Sagt Ihnen das irgendwas? Meine Mom hatte es vor Jahren auf ein Blatt Papier geschrieben.«
Er lachte. »Das war der Name dieses alten Sozialprogramms für Leute, die gerade aus dem Gefängnis gekommen waren. Sie gaben ihnen einen Ort zum Übernachten, ließen sie mit irgendeinem aufrechten Bürger ein Team bilden. Stabilität, nannten sie das. Wir sollten uns von diesen großartigen Vorbildern beeinflussen lassen. Sie sollten uns zeigen, wie gut das Leben sein könnte.«
»Und Sie waren in diesem Programm?«, fragte Reggie.
»Eine Zeit lang. Ich lebte in diesem Haus mit vier anderen Typen. Wir hatten Treffen und Programme, und sie ließen unseren Urin testen, um sicherzustellen, dass wir keine Drogen nahmen.«
»Und wurde Ihnen jemand aus der Gemeinde zugeteilt? Ein gutes Vorbild?«
»Das war er ganz bestimmt. Er rettete mir den Arsch, bis er es nicht mehr konnte. Er hatte früher selbst mal ein Drogenproblem gehabt, aber er hatte es geschafft, clean zu werden. Er war mein NA-Sponsor. Er hatte so ein großes, altes Haus mit einer Einliegerwohnung über der Garage, und er ließ mich dort übernachten, wenn ich eine harte Zeit durchmachte. Ich war dort, als Vera verschwand. Also konnte ich sie nicht entführt haben. Und ich konnte es beweisen. Ich hatte ein Alibi.«
»Klingt, als hätte er viel für Sie getan. Wie war sein Name?«
Rabbit blickte auf die ruinierten Überreste seines Burgers, als läge die Antwort dort, in der Kruste des faden Brötchens und dem erstarrten Fett. »Es war der
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