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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Abschlussballkönigin, als außergewöhnliche Schauspielerin, als Retterin kleiner Mädchen, die von Hunden zerrissen wurden. Doch jetzt war der Vorhang zurückgezogen worden und hatte eine ganz andere Person enthüllt.
    Reggie musste gehen, musste von diesem süßlichen, alkoholgeschwängerten Geruch wegkommen. Sie konnte es nicht mehr länger ertragen, diesen zerlegten, schmutzigen kleinen Raum zu sehen. Sie drehte sich um und ging wortlos hinaus, ließ den Schlüssel in der Tür stecken, unfähig, auch nur Zahnprothese gegenüberzutreten.
    »WILLST DU WAS SEHEN?«, fragte Tara. Sie saß dieses Mal auf der Rückbank neben Reggie, neben den Bierdosen, für die Sid bei Clifford’s Liquors Halt gemacht hatte, wo sie angesichts von Sids falschem Ausweis nicht mal mit der Wimper gezuckt hatten. Charlie saß vorne und spielte Copilot, während Sid einen weiteren Joint rauchte.
    »Pass auf, Mann«, warnte ihn Charlie. »Du kommst auf die andere Spur. Du bist viel zu stoned zum Fahren.«
    »Entspann dich«, sagte Sid zu ihm. »Wie gesagt, ich bin ein Glücksbringer. Und dieses Auto fährt sich praktisch von selbst.«
    Reggie war dankbar, dass keiner von ihnen noch etwas über ihre Mutter oder ihr verwüstetes kleines Motel-Zimmer gesagt hatte.
    Tara hatte sie vollgequatscht, seit sie Effizienz am Flughafen verlassen hatten, in dem Versuch, sie aufzuheitern, nahm sie an. Reggie befolgte ihren Rat, zwang sich, ein Bier zu trinken, weil sie dachte, das könnte sie beruhigen. Könnte dafür sorgen, dass ihre Gänsehaut ein wenig zurückging. Sie dachte an die Kakerlake und das Geräusch, das sie gemacht hatte, als sie über den Fliesenboden krabbelte.
    Sid drehte das Radio lauter. »Ich liebe diesen Song!«
    Es war »Pinball Wizard« von The Who.
    «Und?«, fragte Tara mit leiser, verschwörerischer Stimme, als sie sich zu Reggie hinüberbeugte. »Willst du es jetzt sehen oder nicht?«
    »Sicher«, sagte Reggie zu ihr und nahm einen weiteren Schluck von dem Bier.
    Tara Gesicht leuchtete erwartungsvoll. Sie konnte es nicht abwarten, Reggie diese Sache zu zeigen, was immer es war.
    Tara rollte den langen, mit Sicherheitsnadeln versehenen Ärmel ihres Kleides hoch und enthüllte die blasse Haut ihres Unterarms. Reggie blinzelte in dem trüben Licht des Autos und sah, dass er mit Narben bedeckt war. Seltsame Muster: ordentliche Reihen von kleinen erhabenen weißen Hufeisen aus Narbengewebe, als wäre ein winziges Pony dort entlanggetrottet und dem blauen Pfad ihrer Venen gefolgt. Diese hier waren nicht wie die zarten, eingeritzten Linien, die Tara von der Rasierklinge auf ihren Beinen hatte. Das war etwas ganz Anderes.
    »Eohippus«, sagte Reggie, als sie sich an etwas erinnerte, was sie in Biologie über die winzigen Vorfahren aller Pferde gelernt hatte.
    »Ich habe es mit einem Feuerzeug gemacht«, flüsterte Tara, die Worte drangen heiß an Reggies gutes Ohr.
    Reggie biss sich auf die Lippe, als sie die Narben auf der weichen, verwundbar aussehenden Unterseite von Taras Unterarm betrachtete. Ihre eigene Haut begann auf diese ihr jetzt vertraute Weise zu jucken – es war die Sehnsucht, sich zu schneiden, den Kitzel der Klinge auf ihrem Fleisch zu spüren, kurz bevor sie sie hineindrückte. Sie dachte an die Sicherheitsnadel in ihrer Tasche und wollte sie öffnen, sehen, wie tief sie ihre Haut damit einritzen konnte. Sie wusste, dass dann alles andere verschwinden würde, und sie brauchte das jetzt mehr als je zuvor. Sie wollte es und hasste sich selbst dafür, dass sie es wollte. Es war alles ein riesiger, kaputter Widerspruch, wie zu denken, dass Taras Narben schrecklich waren, aber gleichzeitig neidisch auf sie zu sein.
    Tara lächelte. »Willst du sie anfassen? Du darfst.« Und ohne ein weiteres Wort langte sie nach Reggies Hand und führte ihre Finger zu ihrem vernarbten Arm. Als die Finger ihn berührten, atmete Tara scharf ein, als würde die Berührung schmerzen, und Reggie riss ihre Hand weg, doch Tara drückte sie wieder herunter.
    »Es ist okay«, flüsterte Tara, als Reggies Fingerspitzen sich sanft über die Beulen und Furchen der Narben bewegten. »Ich will, dass du es tust.«

31 21. Oktober 2010 – Brighton Falls, Connecticut
    REGGIE ERWISCHTE SICH SELBST dabei, wie sie mit ihren Fingern über die Narben um ihre Ohrprothese fuhr – eine nervöse Angewohnheit, von der sie dachte, dass sie sie vor langer Zeit abgelegt hatte.
    »Es tut mir so leid wegen dem, was vorhin mit meiner Mom passiert ist«, sagte sie,

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