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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Bodylotion. Es hingen keine Kleider im Schrank oder in der Kommode. Nur ein Mantel, ein großer, schwarzer Männermantel aus Wolle. Das Futter war locker, und er war an einigen Stellen fadenscheinig. Am linken Ellbogen war ein Loch.
    »Ist das deiner, Mom?«, fragte Reggie und nahm den Mantel vom Bügel.
    Vera nickte.
    Der Mantel war schwerer, als Reggie erwartet hatte, und bald verstand sie, warum: Das Futter war hier und da eingeschnitten worden, und kleine, behelfsmäßige Taschen waren dadurch entstanden, dass um die Schnitte herum wieder Quadrate genäht worden waren. Reggie lächelte angesichts des magischen Mantels, den ihre Mutter geschaffen hatte. Das war Vera – immer erfinderisch, selbst als Obdachlose, selbst als Verrückte.
    Reggie griff in eine der Taschen und zog eine, mit einem Dutzend Gummibändern zu einem Ball zusammengeknüllte, leere Plastiktüte hervor.
    Als sie in den anderen Geheimtaschen wühlte, fand Reggie Streichholzbriefchen, eine zerdrückte Zigarette, ein zerbrochenes Mobiltelefon, zwei Zellophan-Packungen mit zerkrümelten Salzcrackern, Haarklammern und eine Brieftasche, die bis auf einen abgelaufenen Coupon für ein Kräutershampoo leer war. Die Ärmel abtastend, fand sie eine letzte versteckte Tasche am Ende des rechten Ärmels, die mit einer Sicherheitsnadel verschlossen war. Sie öffnete die Nadel, griff hinein und zog eine abgenutzte Schmuckkassette aus rotem Samt hervor. Sie klappte sie auf und entdeckte einen Verlobungsring und einen Ehering darin. Reggie war keine Expertin, aber diese beiden sahen nicht nach billigem Modeschmuck aus. Eine obdachlose Frau, die wertvollen Schmuck mit sich herumtrug? Es ergab keinen Sinn. Es sei denn …
    »Sind das deine, Mom?«, fragte sie und hob den Ehering aus der Schachtel. Er war schwer und massiv, ohne Zweifel aus echtem Gold. »Hast du geheiratet?« Das Wort verfing sich auf ihrer Zunge und sie musste sich zwingen, es auszusprechen.
    Reggie wusste, dass ihre Mutter ihren Vater nie geheiratet hatte. Vera hatte ihr nie auch nur den Namen des Kerls gesagt, hatte behauptet, es wäre nicht wichtig.
    Stoßzahn, erinnerte sich Reggie, und stellte sich das Bild von Ganesha vor, das sie einst ausgeschnitten hatte – den friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht des Gottes mit dem Elefantenkopf, die vier Arme waren ausgestreckt, die Hände schwebten wartend.
    Vera flüsterte in ihre Bettdecke, und das einzige Wort, das Reggie verstand, war das letzte: Bald.
    Als sie den goldenen Ring in ihrer Hand drehte, sah Reggie, dass da eine Gravur auf der Innenseite war – Worte in akkurater Schrift:
    Bis dass der Tod uns scheidet
    20. Juni 1985
    Reggie ließ beinahe den Ring fallen, als wäre die Gravur herausgekommen und hätte sie gestochen.
    20. Juni 1985.
    Der Tag, an dem Veras Hand auf den Vorderstufen der Polizeiwache aufgetaucht war.

Auszug aus Neptuns Hände:
    Die wahre Geschichte der ungelösten Morde von Brighton Falls
    von Martha S. Paquette
    Die sechsunddreißig Jahre alte Andrea Mc Ferlin war eine modebewusste Frau mit blond gesträhntem Haar und makellosem Make-up. Als Wirtschaftsprüferin arbeitete sie für LaRouche & Jaimeson, wo ihre Kollegen sie als engagiert und gewissenhaft beschrieben. Sie war diejenige im Büro, die sich an Geburtstage erinnerte und die Wichtel-Geschenke in der Weihnachtszeit organisierte. Sie war am Samstag, dem 25. Mai zu einer einwöchigen Geschäftsreise aufgebrochen, hatte aber nie ihren Flug angetreten. Ihre Familie und ihre Kollegen dachten, dass sie zu sehr mit der Konferenz beschäftigt gewesen wäre, um sich telefonisch zu melden, und keiner von ihnen machte sich Sorgen, als sie nichts von ihr hörten. Ihr Wagen wurde später auf einem Langzeitparkplatz am Flughafen gefunden, der Koffer befand sich noch darin.
    Am 27. Mai wurde eine Hand mit korallenfarbenem Nagellack auf den Stufen der Polizeiwache entdeckt – eine Hand, die erst als die Hand von Andrea Mc Ferlin identifiziert werden sollte, nachdem ihre Leiche später in der Woche gefunden worden war.
    »Mir war zuerst nicht klar, dass sie tot war«, sagte Rebecca Hartley, neunundzwanzig, die jeden Morgen durch den King Philip Park joggte und Mc Ferlins Leiche kurz nach Sonnenaufgang am 31. Mai entdeckte. »Ich dachte, es wäre jemand, der einen Streich spielte. Eine betrunkene Highschool-Schülerin bei einem Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel oder so etwas. Dann, als ich näher kam und sie sah, wusste ich es.«
    Mc Ferlin war nackt, ihr Handgelenk verbunden, und

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