Das 6. Buch des Blutes - 6
geleitete. Er setzte sich.
»Er hat versucht, Sie zu vergiften«, antwortete der Mann.
»Wer?«
»Valentin natürlich.«
»Valentin?«
»Er ist fort«, entgegnete Dorothea. »Einfach verschwunden.«
Sie zitterte. »Ich habe Sie schreien gehört, kam herein und fand Sie auf dem Boden. Ich dachte, Sie würden ersticken.«
»Schon gut«, sagte der Mann. »Jetzt ist wieder alles in Ordnung. «
»Ja«, sagte Dorothea, die sein nichtssagendes Lächeln offenbar beruhigend fand. »Das ist der Anwalt, von dem ich Ihnen erzählt habe, Harry. Mr. Butterfield.«
Harry wischte sich den Mund ab. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte er.
»Warum gehen wir nicht nach unten?« fragte Butterfield.
»Dann kann ich Mr. D’Amour bezahlen, was wir ihm schulden.«
»Schon gut«, sagte Harry. »Ich bekomme meine Bezahlung immer erst, wenn meine Arbeit erledigt ist.«
»Aber sie ist erledigt«, entgegnete Butterfield. »Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt.«
Harry warf Dorothea einen Blick zu. Sie zupfte einen verwelkten Blütenschweif aus einem ansonsten makellosen Gebinde.
»Ich wurde verpflichtet, bei der Leiche zu wachen…«
»Die Formalitäten, Swanns Leichnam zu beseitigen, wurden getroffen«, erwiderte Butterfield. Seine Höflichkeit funktionierte gerade noch. »Ist es nicht so, Dorothea?«
»Es ist mitten in der Nacht«, protestierte Harry. »Sie werden frühestens morgen früh eine Feuerbestattung durchführen können.«
»Danke für Ihre Hilfe«, sagte Dorothea. »Aber ich bin sicher, da Mr. Butterfield jetzt da ist, wird alles gut werden.
Alles.«
Butterfield wandte sich an seine Begleiterin. »Geh doch bitte raus und ruf ein Taxi für Mr. D’Amour«, sagte er. Dann sah er Harry an. »Wir wollen Sie doch so nicht auf die Straße lassen, oder?«
Den ganzen Weg die Treppe hinunter und unten in der Diele, wo Butterfield ihn bezahlte, wünschte sich Harry, Dorothea würde dem Anwalt widersprechen und ihm sagen, daß Harry bleiben sollte. Aber sie sagte ihm nicht einmal Lebewohl, als er aus dem Haus geführt wurde. Die zweihundert Dollar, die er bekommen hatte, waren natürlich mehr als genug Bezahlung für die wenigen untätigen Stunden, die er dort verbracht hatte, aber er hätte alle Scheine mit Freuden verbrannt, wenn Dorothea ihm nur gezeigt hätte, daß sein Weggehen ihr etwas ausmachte. Ganz offensichtlich war dem aber nicht so. Aufgrund früherer Erfahrungen wußte er, daß sein angeschlagenes Ego ganze vierundzwanzig Stunden brauchen würde, um sich von dieser Gleichgültigkeit zu erholen.
Er stieg in der Gegend der Dreiundachtzigsten Straße auf der Third Avenue aus dem Auto aus und ging zu Fuß zu einer Bar in der Lexington, wo er, wie er wußte, eine halbe Flasche Bourbon zwischen sich und die Träume, die er gehabt hatte, kippen konnte.
Es war schon nach eins. Die Straße war verlassen, abgesehen von ihm und dem Echo, das sich seit einiger Zeit an seine Schritte geheftet hatte. Er bog um die Ecke in die Lexington und wartete. Ein paar Sekunden später kam Valentin um dieselbe Ecke. Harry packte ihn an der Krawatte.
»Kein schlechter Versuch«, sagte er und hob den Mann hoch, so daß er nur noch auf den Zehenspitzen stand.
Valentin unternahm keinen Versuch, sich zu befreien. »Gott sei Dank, daß Sie leben«, sagte er.
»Ihnen verdanke ich das nicht«, sagte Harry. »Was haben Sie mir in den Drink getan?«
»Nichts«, beharrte Valentin. »Warum sollte ich?«
»Und wieso lag ich dann auf dem Boden? Wieso die bösen Träume?«
»Butterfield«, antwortete Valentin. »Glauben Sie mir, was immer Sie geträumt haben, hat er mitgebracht. Ich gebe zu, ich bin in Panik geraten, sobald ich ihn im Haus gehört habe. Ich weiß, ich hätte Sie warnen sollen, aber mir war klar, wenn ich nicht schnell genug aus dem Haus kam, würde ich gar nicht mehr rauskommen.«
»Wollen Sie mir sagen, daß er Sie umgebracht hätte?«
»Nicht persönlich, aber sonst ja.«
Harry sah ihn ungläubig an.
»Wir kennen uns schon lange, er und ich.«
»Machen Sie, was Sie wollen«, sagte Harry und ließ die Krawatte los. »Ich bin so müde, daß ich nichts mehr von diesem ganzen Mist hören will.« Er drehte sich um und ging weiter.
»Warten Sie…« sagte der andere Mann, »… ich weiß, ich war im Haus nicht sehr nett zu Ihnen, aber Sie müssen verstehen, es wird noch schlimmer werden. Für uns beide.«
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei alles vorbei, abgesehen von den Feierlichkeiten.«
»Das dachte
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