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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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doch…« sagte sie mit einer Stimme, so leise wie ein Hauch. »… Sie trauen sich ja nicht.« Sie drehte sich zu Harry um. »Fragen Sie ihn, D’Amour«, sagte sie. »Verlangen Sie von ihm, daß er uns zeigt, was er unter den Bandagen verbirgt.«
    »Wovon redet sie?« fragte Harry. Der Anflug von Bestürzung in Valentins Augen überzeugte Harry, daß Dorotheas Bitte nicht unbegründet war. »Erklären Sie es«, sagte er.
    Aber Valentin bekam keine Gelegenheit dazu. Von Harrys Bitte abgelenkt, war er leichte Beute für Dorothea, als diese sich über den Schreibtisch lehnte und ihm das Feuerzeug aus der Hand schlug. Er bückte sich, um es aufzuheben, aber da zog sie schon an dem behelfsmäßigen Verband. Er riß entzwei und fiel herunter.
    Sie trat zurück. »Sehen Sie?« sagte sie.
    Valentin war bloßgestellt. Der Kreatur von der Dreiundachtzigsten Straße war die menschliche Maske vom Arm gerissen worden; das Glied darunter war eine Masse blaugrüner Schuppen. Jede Extremität der Schuppenhand lief in einem Nagel aus, der sich wie der Schnabel eines Papageis öffnete und schloß. Valentin bemühte sich gar nicht, die Wahrheit zu verbergen. Scham machte jede andere Reaktion unmöglich.
    »Ich habe Sie gewarnt«, sagte sie. »Ich habe Sie gewarnt, daß man ihm nicht trauen kann.«
    Valentin sah Harry an. »Ich habe keine Entschuldigungen«, sagte er. »Ich bitte Sie nur, mir zu glauben, daß ich nur das Beste für Swann will.«
    »Wie soll das gehen?« sagte Dorothea. »Sie sind ein Dämon.«
    »Mehr als das«, antwortete Valentin. »Ich bin Swanns Versucher. Sein Vertrauter, sein Geschöpf. Aber ich gehöre mehr zu ihm, als ich je zu den Mächten der Unterwelt gehört habe.
    Und ich werde sie…« er sah Dorothea an,»… und ihre Handlanger besiegen.«
    Sie wandte sich an Harry. »Sie haben eine Pistole«, sagte sie.
    »Erschießen Sie diesen Dreck. Sie dürfen so ein Ding nicht am Leben lassen.«
    Harry betrachtete den Schuppenarm, die klappenden Fingernägel. Welche Abscheulichkeiten warteten noch hinter der Fassade dieses Fleisches? »Erschießen Sie es«, sagte die Frau.
    Er nahm die Waffe aus der Tasche. Seit seine wahre Natur enthüllt war, schien Valentin geschrumpft zu sein. Jetzt lehnte er sich gegen die Wand, und die Verzweiflung stand ihm im Gesicht geschrieben.
    »Dann töten Sie mich eben«, sagte er zu Harry. »Töten Sie mich, wenn Sie mich so abstoßend finden. Aber ich flehe Sie an, Harry, geben Sie ihr Swann nicht. Versprechen Sie mir das.
    Warten Sie, bis der Fahrer zurückkommt, und beseitigen Sie die Leiche irgendwie. Aber geben Sie sie nicht ihr!«
    »Hören Sie nicht auf ihn!« sagte Dorothea. »Er liebt Swann nicht so wie ich.«
    Harry hob den Revolver. Valentin zuckte nicht einmal im Angesicht des Todes zusammen.
    »Du hast verloren, Judas«, sagte sie zu Valentin. »Der Magier gehört mir.«
    »Welcher Magier?« fragte Harry.
    »Swann natürlich!« antwortete sie leichthin. »Wie viele Magier haben Sie denn hier oben?«
    Harry ließ die Waffe sinken. »Er ist ein Illusionist«, sagte er, »das haben Sie selbst mir ganz am Anfang erklärt. Nennen Sie ihn niemals Magier, haben Sie gesagt.«
    »Seien Sie nicht pedantisch«, antwortete sie und versuchte, lachend über ihren Fauxpas hinwegzugehen.
    Er richtete die Pistole auf sie. Da warf sie plötzlich den Kopf zurück, ihr Gesicht spannte sich, und sie stieß einen Laut aus, wie ihn Harry, hätte er ihn nicht selbst aus einem menschlichen Mund gehört, keinem Kehlkopf je zugetraut hätte. Er hallte den Flur und die Treppe hinunter und suchte nach einem wartenden Ohr.
    »Butterfield ist hier«, sagte Valentin nüchtern.
    Harry nickte. Im selben Augenblick ging sie auf ihn los, das Gesicht grotesk verzerrt. Sie war kräftig und schnell, ein giftiger Wirbel, der ihn fassungslos machte. Er hörte, wie Valentin ihm sagte, er solle sie töten, bevor sie sich verwandeln konnte.
    Als er noch versuchte, die Bedeutung des Gesagten zu entschlüsseln, hatte sie schon die Zähne an seinem Hals. Eine ihrer Hände umfaßte wie ein kalter Schraubstock sein Handgelenk. Sie besaß genügend Kraft, das spürte er, seine Knochen zu zermalmen. Ihre Umklammerung hatte seine Finger schon gefühllos gemacht. Zu mehr, als einfach abzudrücken, reichte seine Zeit nicht. Der Revolver ging los. Es kam ihm vor, als verströmte sie ihren ganzen Atem an seiner Kehle. Sie ließ ihn los und taumelte zurück. Der Schuß hatte ihren Unterleib aufgerissen.
    Was er getan hatte,

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