Das 8. Gestaendnis
genommen, wo sie doch eine bestens geeignete Pistole zu Hause liegen hat.«
Yuki wurde schwindelig und ein wenig übel.
Erstens hatte Carly Phelan bei der Vorvernehmung der Geschworenen etwas Entscheidendes verschwiegen. Wenn sie gleich gesagt hätte, dass ihre eigene Tochter im Gefängnis sitzt, dann hätte man sie gar nicht erst genommen. Schließlich war es in einem solchen Fall absolut naheliegend, dass sie eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber der Anklage mitbrachte.
Die Staatsanwaltschaft wollte ja ihre eigene Tochter wegsperren lassen!
Zweitens, was noch schlimmer war: Lallie Phelan hatte mit ihrer Mutter über die Angeklagte gesprochen. Falls Carly Phelan mit irgendeinem der anderen Geschworenen darüber redete, dann musste die gesamte Jury ausgetauscht werden.
»Wollen Sie den Prozess einstellen?«, erkundigte sich Hoffman.
»Nein. Das habe ich nicht vor.«
»Dann stelle ich hiermit den Antrag, genau das zu tun, Euer Ehren. Ich muss die Rechte meiner Mandantin wahren«, konterte Hoffman. Mit einem Mal sang er ein ganz anderes Lied als noch vor einer Woche.
Duffy winkte ab. »Ich schmeiße die Geschworene Nummer zwei raus und hole einen Ersatz.«
»Da muss ich Einspruch einlegen, Euer Ehren«, sagte Hoffman. »Dieses Telefonat hat gestern Abend stattgefunden. Mrs. Phelan hat womöglich bereits alle Geschworenen angesteckt. Ihre Tochter hat ihr erzählt, dass meine Mandantin eine Pistole besitzt.«
»Euer Ehren, ich bin auf Ihrer Seite«, meldete sich Yuki zu Wort. »Je früher Sie Mrs. Phelan aus der Jury entfernen, desto besser. Die Ersatzleute stehen schon bereit.«
»Ist vermerkt. Also gut«, meinte Duffy. »Weiter im Text.«
42
Hoffman und Yuki verließen das Büro des Richters und gingen den gelbbraun gestrichenen Flur entlang in Richtung Gerichtssaal. Yuki musste doppelt so viele Schritte machen wie ihr schlaksiger Gegenspieler, um Schritt halten zu können.
Hoffman strich sich die Haare nach hinten und sagte: »Die Geschworenen werden Galle spucken, wenn sie das erfahren.«
Yuki schaute zu Hoffman auf. Was dachte er eigentlich von ihr? Dass sie eine Anfängerin war, eine Idiotin oder beides?
Die Geschworenen würden genervt reagieren, keine Frage. Ein neues Jury-Mitglied bedeutete, dass sie sämtliche bisherigen Beratungen beiseitelegen und noch einmal ganz von vorn anfangen, sämtliche Indizien noch einmal bewerten mussten, wie am ersten Tag.
Yukis fantastisches Abschlussplädoyer würde im Nebel der Zeit versinken, und die Geschworenen hätten nichts anderes mehr im Kopf als ihre Entscheidung, damit sie endlich dieses Hotel verlassen konnten.
Yuki wusste, dass Hoffman innerlich frohlockte.
Er hatte in Carly Phelan die ganze Zeit über eine Geheimwaffe gehabt, und das, ohne es zu wissen. Falls Phelan die Geschworenen irgendwie beeinflusst hatte, dann auf jeden Fall zugunsten der Verteidigung .
»Hören Sie doch auf, Phil.«
»Yuki, ich habe keine Ahnung, wie Sie das meinen.«
»Na, klar.«
Beiden war klar, dass Hoffman in Berufung gehen würde, falls die Jury die Angeklagte schuldig sprach. Allein die Tatsache,
dass Carly Phelan bei der Vorvernehmung gelogen hatte, reichte aus, um das Urteil anzufechten.
Andererseits, wenn die Geschworenen sich wieder nicht einig werden konnten, und das war sehr gut möglich, dann wäre der Richter gezwungen, den Prozess abzubrechen.
Richter Duffy wollte das nicht. Er wollte diesen Fall abschließen und zu den Akten legen.
Da braucht er sich keine Sorgen zu machen , dachte Yuki. Es würde ein oder zwei Jahre dauern, bis der nächste Prozess vorbereitet war, und dann würde die Staatsanwaltschaft die Kosten dafür abwägen und die Anklage höchstwahrscheinlich fallen lassen.
Aber natürlich konnte die Jury auch auf Freispruch plädieren. Das Ergebnis war so oder so dasselbe: Die kleine Stacey würde freigelassen.
Yuki dachte: Meine verdammte Niederlagenserie hört einfach nicht auf . Siegen, verlieren oder unentschieden, die Chancen standen jedenfalls gut, dass Stacey Glenn, diese abscheuliche Vatermörderin, auf freien Fuß gesetzt wurde.
43
Am nächsten Morgen stand Cindy am Maschendrahtzaun vor dem Caltrain-Rangierbahnhof, legte den druckfrischen Lokalteil auf den Gehweg und beschwerte ihn mit ein paar Kerzen.
Über ihrem Artikel prangte in großen, dicken Lettern die Schlagzeile: $ 25.000 BELOHNUNG.
Der einleitende Absatz direkt unter der Überschrift lautete: »Die San Francisco Chronicle setzt eine Belohnung von $ 25.000 für
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