Das 8. Gestaendnis
hundertfünfzig Jahre später war er dann privatisiert und zu einem gemischten Wohnund Geschäftsviertel umgewandelt worden.
Die Restaurierung brachte einige wunderschöne Häuser im sogenannten »Mission Revival Style« zum Vorschein, roter Backstein und weiße Eingangsterrassen. Andere Gebäude wurden dem Verfall preisgegeben und stürzten Stück für Stück ins Meer.
Aus Pet Girls Adresse schlossen wir, dass ihre Wohnung im malerischen und billigsten Abschnitt der ehemaligen Kasernen zu finden war, ein weiter Weg von unserem Standort aus. Aber mir fiel sofort auf, dass man von Norma Johnsons Haus bequem bis nach Sea Cliff sehen konnte, wo sie die Burke School besucht hatte … und wo sie so gedemütigt worden war.
Ich ging davon aus, dass ihr der gesellschaftliche Status wichtig war. Also warum hatte sie sich das angetan?
Conklin und ich gingen mit schnellen Schritten durch die parkähnlichen Außenanlagen des Presidio. Es war ein Werktag, und überall auf den Parkplätzen sah man Windsurfer, die gerade dabei waren sich umzuziehen und sich über die Brise freuten, die vom Baker Beach herüberwehte.
Und dann kam Normas Apartment in Sichtweite, eine Doppelhaushälfte mit einem kleinen Vorgarten. Der Rasen musste mal wieder gemäht werden, und vor Normas Tür lag ein Fahrrad im hohen Gras, als hätte es jemand in großer Eile dort fallen lassen.
Ich klopfte an, rief Normas Namen, klopfte noch einmal, kräftiger - aber immer noch keine Reaktion. Ich musste an Pet Girls Worte denken: »Könnte ja sein, dass ich das nächste Opfer bin.«
»Gefahr im Verzug, Rich. Vielleicht hat sie sich etwas angetan. Womöglich ist sie schon fast tot.«
Ich gab ihm Anweisung, die Tür einzutreten, aber Conklin legte die Hand an den Türknauf, drehte daran, und die Tür schwang auf. Mit der Waffe in der Hand betraten wir Pet Girls Wohnung. Es war sauber und klein, und die Möbel wirkten
wie vom Sperrmüll, mit Ausnahme des Bildes von Christopher Ross, das kunstvoll gerahmt über dem Konsolentischchen im Flur hing.
Ich hörte gedämpfte Schritte und ein Rumpeln, konnte aber weder sagen, was es war, noch, woher die Geräusche kamen.
Conklin war hinter mir, während ich mich in den hinteren Teil des kleinen Doppelhauses bewegte und rief: »Norma, hier ist Sergeant Boxer. Ihre Haustür war offen. Könnten Sie bitte mal rauskommen? Wir müssen mit Ihnen reden.«
Alles blieb ruhig.
Ich signalisierte Rich, dass er im Erdgeschoss bleiben sollte, während ich die Treppe hinaufging. Die Zimmerchen im ersten Stock waren so klein, dass ich jede Ecke sehen konnte, aber ich schaute trotzdem unter die Betten, durchsuchte Wandschränke, hielt Ausschau nach losen Wandverkleidungen, das übliche Programm eben.
Wo zum Teufel steckte sie?
Noch einmal nahm ich mir die beiden kleinen Zimmer, das Bad und die Wandschränke vor, aber Norma Johnson war nicht hier.
Pet Girl, die Unsichtbare, hatte sich einmal mehr unsichtbar gemacht.
97
Ich erschrak, als im Erdgeschoss ein lautes Krachen ertönte, so als wären etliche schwere Gegenstände zu Boden gefallen. Anschließend nahm ich das Rumpeln wieder wahr. Es klang wie ein gedämpfter Donner, vielleicht eine schwere Schiebetür … und dann hörte ich Stimmen.
Conklin redet mit Norma Johnson.
Als er meinen Namen rief, war ich schon halb die Treppe hinunter.
Mein Partner stand in der Küche und starrte auf eine Öffnung in der Wand zwischen der Arbeitsplatte und dem Kühlschrank. Ich hatte den Durchlass vorhin zwar wahrgenommen, aber er war so schmal, dass ich nur einen Besenschrank dahinter vermutet hatte. Anscheinend war jetzt eine Schiebetür aufgegangen, hinter der sich noch ein Raum befand, eine Art Speisekammer.
»Lindsay«, sagte Conklin in beherrschtem Tonfall. »Norma hat eine Waffe.«
Ich schob mich vorsichtig in die kleine Küche, bis ich Johnson sehen konnte. Sie hatte der Speisekammer den Rücken zugewandt. Conklin stand einen guten Meter von ihr entfernt und blockierte ihren Fluchtweg.
Ich musste zweimal hinsehen, bis ich begriffen hatte, dass Norma Johnsons Waffe die Schlange war, die sie in der rechten Hand hielt. Sie war schlank und grau-weiß geringelt, eine hochgiftige Krait mit peitschendem Schwanz, deren Kopf nur wenige Zentimeter von Johnsons Hals entfernt hin und her pendelte.
»Aus dem Weg, Herr Inspektor«, zischte Johnson. »Ich
gehe jetzt zur Haustür raus, und Sie werden mich gehen lassen. Und wenn ich draußen bin, schließe ich ab. Die Schlangen tun Ihnen
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