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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Lippenstift-Killer lockergemacht, noch bevor dieser Brief überhaupt veröffentlicht war. Es war Wahnsinn, komplettes Wunschdenken, zu glauben, dass der Frauen-und-Kinder-Mörder die Stadt verlassen würde, wenn wir ihm das Geld gaben. Und selbst wenn, wo würde er hingehen? Was würde er machen, wenn er dort war? Und wie viele andere Durchgeknallte würden sich davon inspirieren lassen, ebenfalls zu morden und anschließend Kasse zu machen?
    Als Jacobi, Chi und ich den Bereitschaftsraum betraten, drehten sich alle zu uns um. Die stumme Frage hing wie eine Gewitterwolke in der Luft.
    Was hat der Chief gesagt?
    Jacobi blieb am Kopfende des Raums stehen. Kreidebleich schleuderte er den sechs Männern, die ihn anstarrten, entgegen: »Der Lippenstift-Killer will zwei Millionen haben, damit er keine Morde mehr begeht. Der Chief will, dass wir ihm eine Falle stellen.«
    Alle schnappten nach Luft und redeten durcheinander, und es hörte sich an, als würde die Gewitterwolke sich schlagartig entladen. »Das reicht«, sagte Jacobi. »Boxer übernimmt alles Weitere. Sergeant, du hältst mich auf dem Laufenden. Stündlich.«
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, gegenüber von Conklin, und Chi zog sich einen Stuhl heran. Ich erzählte Conklin von der Abreibung, die Tracchio uns verpasst hatte, und wählte dabei Henry Tylers Nummer. Über die automatische Menüführung gelangte ich zu Tylers persönlicher Assistentin und landete schließlich in einer Warteschleife mit Musikberieselung.
    Henry Tyler war ein mächtiger Mann und Mitherausgeber des San Francisco Chronicle . Vor einiger Zeit war seine Tochter Madison entführt worden, ein niedliches, altkluges, kleines Mädchen und dazu eine Art musikalisches Wunderkind.
    Es war Conklin und mir zu verdanken, dass Madison Tyler nicht tot in einem Straßengraben gefunden wurde, sondern stattdessen immer noch Klavier spielen, zur Schule gehen und mit ihrem Hündchen herumtollen konnte.
    Tyler und seine Frau waren Conklin und mir sehr dankbar gewesen, und Tyler hatte damals gesagt, dass er uns einen riesengroßen Gefallen schuldig sei. Hoffentlich erinnert er sich noch daran, dachte ich … und dann hatte ich ihn an der Strippe.

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    »Mr. Tyler«, sagte ich und rief mir das Bild des groß gewachsenen, grauhaarigen Mannes vor Augen. Unsere letzte Begegnung hatte im Park stattgefunden, zusammen mit seiner kleinen Tochter. Da hatte er gelacht.
    »Lindsay, habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen mich Henry nennen?«, erwiderte Tyler. »Ich habe schon auf Ihren Anruf gewartet. Zu schade, dass es dabei um diesen Kerl gehen muss.«
    »Wir sind froh, dass er sich endlich gezeigt hat«, erwiderte ich. »Das eröffnet uns eine Chance, aber nur, wenn wir ein bisschen Zeit bekommen, um einen vernünftigen Plan zu erarbeiten. Können Sie ihn hinhalten, Henry? Vielleicht, indem Sie seinen Brief nicht morgen, sondern erst übermorgen abdrucken?«
    »Wie stellen Sie sich das vor? Wenn ich diesen Brief nicht veröffentliche und er noch jemanden umbringt, dann trage ich die Schuld dafür – und damit könnte ich niemals leben. Aber, Lindsay, ich kann das Geld besorgen. Und ich hatte gehofft, dass Sie als Vermittlerin fungieren.«
    »Sie wollen ihm die zwei Millionen bezahlen?«
    »Das ist doch noch günstig, egal, von welcher Warte aus man es betrachtet«, meinte Tyler. »Er hätte auch das Fünffache verlangen können, und trotzdem wäre es richtig gewesen, ihm das Geld zu geben. Solange wir ihm nicht geben, was er verlangt, bringt er noch mehr Kinder und ihre Mütter um, das wissen Sie genau. Ich bin mir sicher, dass er von Anfang an nur das Geld im Sinn gehabt hat.«
    Ich war entsetzt darüber, dass Henry Tyler den Forderungen des Killers tatsächlich nachgeben wollte, aber noch mehr verstörte mich seine Schlussfolgerung: dass der Lippenstift-Killer nie etwas anderes gewollt hatte als Geld.
    »Henry, ich befürchte, der Killer wird nicht aufhören, wenn wir ihm das Geld geben, und außerdem könnte es Nachahmer geben.«
    »Das ist mir klar, Lindsay. Wir müssen ihn irgendwie in eine Falle locken. Darum werde ich mit Ihnen zusammenarbeiten.«
    Meine Kopfschmerzen brannten wie flüssige Lava, genau zwischen meinen Augen. Ich war Polizistin, sonst nichts. Ich konnte nicht durch Wände sehen oder die Gedanken eines Irren lesen. Ich fühlte mich zwar geschmeichelt, dass Henry Tyler mir zutraute, den Lippenstift-Killer zu stoppen, aber dieser Massenmörder war offensichtlich schlau – zu schlau, um

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