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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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eigentlich ein richtiger Polizist machen müsste.
    »Der Bürgermeister hat meine Nummer in seinem Kurzwahlspeicher«, sagte er jetzt, während seine Sekretärin ihm eine frische Tasse Tee brachte. »Bei den ›Favoriten‹, verstehen Sie, unter den ersten fünf. Und heute Morgen bin ich zur absoluten Nummer eins aufgestiegen – als er nämlich das hier gesehen hat.«
    Tracchio zeigte uns den aktuellen Chronicle. Auf der Titelseite war Claire zu sehen, wie sie sich aus dem Fenster ihres Autos lehnte. Darunter die Schlagzeile: »Besorgt euch eine Waffe.«
    Ich wurde rot, aus Angst um meine beste Freundin und weil ich mich für sie schämte.
    »Das war tatsächlich jemand von uns«, fuhr Tracchio fort, und seine Stimme wurde lauter. »Jemand von uns hat unseren Mitbürgern geraten, dass sie Waffen tragen sollen. Und jetzt sagt der Bürgermeister, dass wir alle, einschließlich Ihnen, Ihnen und ganz besonders Ihnen« – bei diesen Worten richtete er seinen dicklichen Zeigefinger auf Jacobi –, »nicht in der Lage sind, Scheiße von einem Zitronenkuchen zu unterscheiden.«
    Jacobi sprang halb auf und wollte gerade anfangen, sich zu verteidigen, da brachte Tracchio ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Sagen Sie jetzt nichts, Jacobi. Ich bin nicht in der Stimmung. Und außerdem muss ich Ihnen noch etwas anderes zeigen.«
    Tracchio schlug einen Aktenordner auf, holte eine Zeitungsseite heraus, drehte sie um und schob sie uns zu. »Das wird morgen früh im Chronicle erscheinen. Der Herausgeber hat dem Bürgermeister einen Vorabdruck zugeschickt, und der hat ihn an uns weitergeleitet.«
    Ich las die Überschrift: »›Offener Brief an die Einwohner von San Francisco‹.« Tracchio lehnte sich zurück und sagte: »Nur zu, Boxer. Lesen Sie ruhig laut vor.«
    Ich gehorchte. »›Offener Brief an die Einwohner von San Francisco. Ich möchte euch einen Vorschlag machen. Er ist ganz einfach. Ich möchte zwei Millionen Dollar in bar und eine Kontaktperson, der ich vertrauen kann. Sobald ich das Geld habe, verlasse ich San Francisco für immer, und die Morde an Frauen und Kindern werden aufhören. Ich erwarte eine öffentliche Antwort, danach können wir die Einzelheiten aushandeln. Ich wünsche euch einen schönen Tag‹. Der Text trägt keine Unterschrift, aber ich schätze, wir wissen alle, wer das geschrieben hat.«
    Schon der bloße Gedanke erzeugte ein heftiges Pochen in meinem Schädel.
    »Sir, Sie denken doch aber nicht ernsthaft daran, dem Lippenstift-Killer ein Lösegeld zu zahlen, oder?«, sagte ich zu Tracchio.
    »Natürlich nicht aus unserem Etat, aber es gibt bereits einen Bürger, der sich bereit erklärt hat, das Geld zur Verfügung zu stellen, ja.«
    »Chief, wir können doch nicht zulassen, dass ein Mörder auch noch Geld bekommt. Das öffnet doch sämtliche Schleusen für alle x-beliebigen Irren mit einer Kanone und einem kranken Hirn …«
    »Sie hat recht«, schaltete Jacobi sich ein. »Das ist Ihnen doch auch klar, Tony. Jetzt nachzugeben, das wäre das Schlimmste, was wir machen könnten.«
    Tracchio beugte sich vor, knallte mit der flachen Hand auf die Zeitungsseite und sagte: »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Im Verlauf der letzten Wochen sind mehrere unschuldige Menschen erschossen worden. Vierzig Männer und Frauen befassen sich rund um die Uhr mit diesem Fall, und immer noch haben wir nichts in der Hand. Nichts. Bis auf die Empfehlung der Leiterin der Gerichtsmedizin, dass die Leute Waffen tragen sollen.
    Welche Wahl habe ich denn? Gar keine. Dieser Brief wird abgedruckt werden …«, sagte der Chief und stierte uns der Reihe nach wütend an, »… und ich kann es nicht verhindern. Also überlegen Sie sich, wie Sie diesen Irren schnappen können. Stellen Sie ihm eine Falle. Wie Sie das machen, ist Ihre Sache. Ich weiß, dass das schwer ist. Darum heißt es ja auch ›Arbeit‹. So, und jetzt lassen Sie mich bitte alleine. Ich muss mit dem Bürgermeister telefonieren.«

53
    In einer Wolke aus gekränktem Schweigen lief ich zusammen mit Chi und Jacobi die Treppe hinunter. Ja, sicher, Tracchios Standpauke war erniedrigend gewesen, aber viel schlimmer noch war die Tatsache, dass ein Psychopath die ganze Stadt in Geiselhaft genommen hatte. Und Tracchio steckte so sehr in der Zwickmühle, dass er einem Terroristen nachgeben wollte.
    Das große Nachgeben war offensichtlich schon in vollem Gang. Irgendjemand aus der unmittelbaren Umgebung des Bürgermeisters hatte zwei Millionen Dollar für den

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