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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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als die Welt in zwei Teile gespalten wurde.
    Die Explosion erschütterte seine sämtlichen Sinne, machte ihn taub und blind. Die Druckwellen schüttelten sein Fahrzeug durch, rissen es in die Luft und ließen es mit brutaler Härte zu Boden prallen. Er war in das Chaos auf der Straße gestolpert, und als er langsam wieder etwas hören konnte, da waren es die herzzerreißenden Schreie der Sterbenden und Verwundeten gewesen.
    Pete wühlte sich durch das Tohuwabohu, kletterte über rauchenden Stahl und Felsen und gelangte zum letzten Fahrzeug seiner Kolonne. Die Explosion hatte es umgestürzt und in Brand gesetzt. Er entdeckte drei seiner Männer: Corporal Ike Lennar lag zuckend auf dem Boden, Private Oren Hancock versuchte mit beiden Händen, seine Innereien daran zu hindern, in den Staub zu fallen. Der dritte war Kenny Marshall, der aus demselben Ort wie Pete stammte. Ihm waren beide Beine oberhalb der Knie abgerissen worden.
    Pete bekam feuchte Augen, als er jetzt daran dachte.
    Er war neben seinem geliebten Freund in die Knie gegangen, hatte Kenny den Helm vom Kopf gezogen und seinen bloßen Kopf in die Arme genommen. Das Jesusbild, das Kenny sich in den Helm gesteckt hatte, schien mit dem Kopf zu nicken, während der Helm auf dem Rand davontrudelte. Pete hatte Kenny leere Worte des Trostes zugemurmelt – dem Jungen, der immer gesagt hatte, er sei jederzeit bereit, dem Ruf des Herrn zu folgen. Kenny hatte zu Pete aufgeschaut – Verwunderung im Blick –, und dann hatte er seinen letzten Atemzug getan.
    Pete hatte sich gefühlt, als ob auch in ihm jeder Lebensfunke erloschen wäre, vollkommen leer, doch dann verwandelte sich diese Leere in eine Sturmflut des Zorns. Er riss sich das Hemd vom Leib und bedeckte damit Kennys Gesicht, dann rief er seinen Männern zu, dass die Sprengladung von dem Auto hinter der Kolonne aus gezündet worden sei. Die Überreste seiner Kompanie, zehn gute Männer, umstellten den unauffälligen grauen Wagen und rissen die Türen auf.
    Auf den Vordersitzen saßen zwei Feiglinge, und auf der Rückbank kreischten eine Frau und ein Kleinkind. Pete zerrte die Frau aus dem Wagen. Sie hatte die Arme um das Baby geschlungen. Er konnte nicht verstehen, was sie sagte, und es war ihm auch egal. Als die Rebellen mit dem Gesicht voran auf dem Boden lagen, hatte Pete sie angebrüllt und seine Waffe dabei unentwegt auf dieses schwarze Bündel zu seinen Füßen gerichtet, die Frau und das Kind.
    »Liebt ihr diese Menschen?«, hatte er die Männer angeschrien. »Liebt ihr sie?«
    Er richtete die Mündung auf die Schlampe, und sie drehte sich um, ihre Hände ragten aus dem Schleierumhang hervor, die Handflächen nach oben gereckt zum Schutz vor den Kugeln. Er drückte ab, ließ seine Automatik spucken, sah sie erzittern und erbeben, und während sie starb, erschoss er auch ihr brüllendes Balg. Dann wandte er sich den feindlichen Rebellen zu, hob die Waffe, doch seine Männer fielen über ihn her, entwaffneten ihn, warfen ihn zu Boden und setzten sich auf ihn, so lange, bis sein Schluchzen verstummt war.
    Niemand verlor hinterher ein Wort über den Vorfall. Doch im Geist lebte Pete Gordon immer noch auf dieser staubigen Straße vor Haditha. Dort hatte er zum letzten Mal so etwas wie Mitgefühl empfunden.
    Das Dröhnen des Hubschraubers brachte Pete in die Gegenwart zurück. Er saß in seinem Wagen, in seiner Garage, war umstellt vom Feind und konnte es kaum erwarten, endlich in Aktion zu treten. Er tätschelte der Stinkbombe den Bauch – tätschel, tätschel, tätschel – und wartete, bis es so weit war.

93
    Brady erreichte mich um 13.30 Uhr an meinem Schreibtisch. Er brüllte ins Telefon, dass unser Zeuge die ganze Sache hatte auffliegen lassen und dass Pete Gordon und das FBI einander gegenseitig in Schach hielten. »Der Drecksack hat seinen kleinen Jungen als Geisel genommen. Agent Benbow braucht Sie vor Ort, Lindsay. Pete Gordon sagt, er will nur mit Ihnen reden.«
    Jacobi tauchte hinter mir auf. Ich brachte ihn mit zehn Worten oder noch weniger auf den neuesten Stand und sah ihm seine widerstreitenden Gefühle deutlich an.
    »Fahr los. Halt mich auf dem Laufenden«, bellte er. »Seid vorsichtig«, rief er uns noch hinterher, als Conklin und ich schon an der Tür waren.
    Es dauerte unerträglich lange, bis wir uns von der Hall of Justice durch den dichten Verkehr beim Civic Center bis zu Gordons Haus gezwängt hatten. Wir passierten die Absperrung am Ende der Straße und sahen eine ganze Schar

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