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Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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einen Glimmkäfer hineingedrückt und sog nun zufrieden den Rauch jener außerordentlichen Mischung ein.
    Und dann begann es vor seinen Augen zu flimmern.
    Seine Arme und Beine wurden schwer, und mit einem seligen Lächeln unter dem Bart taumelte der falsche Kommandant rückwärts zu seinem Lager. Ganz langsam begannen die Felsen vor seinen Augen ihre Farbe zu verändern, und auch Silberkies selbst glaubte, sich zu verändern. Er fühlte sich wie ein fetter, auf den Rücken gefallener Käfer, spürte geradezu, wie dünne Beine mit Hakenhärchen aus seiner Seite wuchsen.
    Kurz darauf war er nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft aufzurichten. Er lag dort, zappelte mit den Armen und Beinen und lachte leise.
    Es war ein großartiges Gefühl. Herrlich hilflos. Ein vergnügtes Versagen, ein Käfer auf dem Rücken, von jeder Verantwortung entbunden, keine Verkleidung, keine Herren, keine Untergebenen. Er, der hier in Vorrngarth stets sein Gesicht mitsamt dem falschen Bart wahren musste, war plötzlich kein Halunke, kein Kommandant mehr. Er war ein auf den Rücken gefallener Käfer. Mehr nicht. Innerlich frohlockte er. Konnte ein Zwerg denn der Vollkommenheit überhaupt näherkommen?
    Silberkies strampelte noch ein wenig, dann streckte er Arme und Beine von sich, schloss selig lächelnd seine schwarzen Käferaugen und begann wegzudösen.
    Doch dann, kurz bevor er sich endgültig in einen träumenden Käfer verwandelte, vernahm er plötzlich eine Stimme.
    „Höre, Zwerg, der du nicht der bist, der du zu sein vorgibst! Vernimm die Stimme des Ewig Ungesehenen!“
    Es war eine sonderbare Stimme. Sie klang nicht wie die eines Zwerges, sondern hatte etwas seltsam Fremdartiges an sich, als gehörte sie zu etwas, das eigentlich keine Stimme hatte.
    Und bei den Worten, die er vernahm, lief es Silberkies kalt den Panzer hinunter. Vor allem aber, weil das vollkommen unmöglich war. Denn den Ewig Ungesehenen, den Gott, den die Schurken des Imperiums um seinen Segen anflehten, gab es nicht. Es hatte ihn nie gegeben.
    Selbst in seiner Benommenheit war sich Silberkies dessen noch bewusst, und er entgegnete mit schwerer Zunge: „Aber… aber es gibt dich nicht!“
    Die Stimme zögerte für zwei kurze Schläge, fuhr dann jedoch ebenso laut wie zuvor fort: „Kholk Stheinar, Kommandant von Vorrngarth, der du in Wahrheit Schnappsagk Silberkies, der Ahnherr aller zwergischen Halunken bist, wisse, dass ich gekommen bin, um dich zu prüfen.“
    „Aber ich… ich habe dich erfunden!“, stammelte der falsche Kommandant. Vor ihm hatte es im Ehernen Imperium weder Halunken gegeben noch einen Gott, den sie hatten anrufen können. Darum hatte er den Ewig Ungesehenen geschaffen, dessen Blick überall zugleich war, den Schrecken der Schatzkammer, den Lautlosen, den Urschurken, der am Anbeginn der Zeiten schon dem Ewigen Schmied das glühende Eisen vom Amboss gestohlen hatte. { * } Silberkies hatte damals ein gutes Dutzend Geschichten um den Ungesehenen ersonnen, jenen Gott, der alles zu sein und alles zu verkörpern vermochte. Es hatte keine hundert Jahre gedauert, bis das Zwergische Zwielicht geschlossen zu dem Gott betete, den er geschaffen hatte.
    „Richtig“, erwiderte die rätselhafte Stimme. „Du hast mich geschaffen. Und darum existiere ich.“
    Das klingt allerdings einleuchtend, dachte Silberkies, während sich die Farbe der Felsen in der Höhle unter seinen Blicken von Rot in Grün verwandelte. Die Stimme jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken: „Meine Augen ruhen auf dir, Silberkies! Denn ich habe dir eine bedeutsame Rolle zugedacht, in den schicksalhaften Wirren, in denen das Undenkbare denkbar werden wird!“
    Silberkies richtete sich auf, seine Augen suchten den vermeintlichen Gott. Und dann fiel sein Blick schließlich auf den Stein.
    „Ja, deine Augen trügen dich nicht“, sagte die Stimme. „Ich bin es. Und ich habe mich in dieser Form manifestiert, um kein Aufsehen zu erregen. Die vollkommene Verkleidung. Wisse, Silberkies, groß ist dein Talent, und vieles vermagst du, doch erst wenn du in der Lage bist, glaubhaft einen faustgroßen Kiesel darzustellen, dann hast du die höchsten Weihen der Täuschung erreicht, jene, die einzig den Göttern vorbehalten sind!“
    Silberkies schluckte. Der Ungesehene hatte recht, seine Verkleidung war überzeugend, und als Stein war man der Vollkommenheit gewiss näher denn als Käfer! Ehrfürchtig neigte der Ahnherr des Zwergischen Zwielichts das benebelte Haupt vor dem

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