Das abartige Artefakt
den Gang hinunterpreschten, beschäftigte sie noch ein anderes Problem: wie sie in den gemeinen Gang gelangen konnten.
Den kürzesten und unmittelbarsten Weg hatten mit Hilfe des Transporters jene genommen, die sie in ihre Gewalt hatten bringen wollen. Und zwar, weil sie mit dem einzigen Zwerg im Bunde gewesen waren, der seit Zwergengedenken den Gang lebendig betreten und wieder verlassen hatte: Schnappsagk Silberkies.
Klammgluth biss sich vor Ärger in den Bart. Wenn er gewusst hätte, dass sein Oheim einen Transporter am Rande des gemeinen Ganges platziert hatte, hätte er ihn niemals verraten. Er hätte ihm den Bart gebürstet, den Helm poliert und ihm das Bier hinterhergetragen.
Aber der Alte hatte ihm nie von dem Transporter erzählt. Klammgluth hatte nicht einmal gewusst, dass er je so weit gekommen war. Silberkies hatte ihm nicht getraut. Und darüber ärgerte sich Klammgluth am meisten. Dass sein Oheim, der ihn schlüpfen gesehen und ihn großgezogen hatte, ihm nicht vertraut hatte. Natürlich war es auch nicht ratsam gewesen, Klammgluth zu trauen, wie sein späterer Verrat an Silberkies ja bewies, aber darum ging es schließlich nicht. Er war ein Zwerg, der Gefühle hatte. Auch wenn er ein rückgratloser, skrupelloser, hinterhältiger, bösartiger Widerling war. Er hatte Gefühle.
Das wusste allerdings niemand, und hätte es jemand gewusst, hätte Klammgluth Mittel und Wege gefunden, es ihn wieder vergessen zu lassen. Gegenwärtig fühlte er sich jedenfalls gekränkt. Vor allem, weil Silberkies Nattergriff offenbar mehr vertraut hatte als ihm.
Silberkies saß mit dem Gesicht zu ihm gefesselt vor ihm im Sattel. Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Er musste ihn noch während des Reitens verhören, wenn sie den Schicksalszwerg einholen wollten. Mit Hilfe eines Transporters konnte man innerhalb kürzester Zeit weite Strecken überwinden. Und Klammgluth und seine Leute wussten nicht einmal, wo sich der Zugang zum gemeinen Gang überhaupt befand. Zumindest das mussten sie aus Silberkies herausbringen, am besten noch bevor sie auf der Ebene des Verwalters ankamen.
Klammgluth funkelte seinen Oheim wütend an. Er hatte nie Rücksicht auf seine Gefühle genommen. Womöglich hätte aus ihm ein anständiger Zwerg werden können, wenn Silberkies nicht der Begründer des Zwergischen Zwielichts gewesen wäre. Klammgluth hätte ein Wurzelmeister, ein Eisenhauer oder ein Kieferbieger werden können. Vielleicht sogar ein Ferkelbändiger oder ein Priester. Nicht, dass er das gewollt hätte, aber es hätte ja sein können. Es ging um Möglichkeiten. Silberkies hatte ihm sein Leben versaut. Zumindest theoretisch. Im Großen und Ganzen war er ja damit recht zufrieden. Zumal er bald das gesamte Eherne Imperium beherrschen würde. Aber es ging ums Prinzip.
„Du hast es also tatsächlich geschafft, du alter Wanzenbart“, sagte er an Silberkies gewandt. „Du bist tatsächlich dort gewesen. Und hättest beinahe das Undenkbare erreicht.“
Silberkies antwortete nicht. Der Knebel in seinem Mund hätte ein Antworten auch sinnlos gemacht.
„Wie hast du es angestellt, du alter Halunke?“ Klammgluth schaute Silberkies in die Augen, der seinem Blick mühelos standhielt.
„Es ist der Schrauber nicht wahr? Er ist der Schlüssel…“
Silberkies zeigte keine Regung.
„Natürlich“, fuhr Klammgluth fort. „Sonst darf niemand den gemeinen Gang betreten. Aber irgendjemand muss ja die Fallen warten…“
Jede noch so gute Falle begann nach zweihundert Jahren gewisse Verschleißerscheinungen aufzuweisen. Seile wurden spröde, Holz verrottete, Eisen rostete. Und darum brauchte es jemanden, der sich darum kümmerte. Einen Meister der Fallenkunst, der eigens für diese Aufgabe ausgebildet wurde, der die besten Fallen der letzten zweitausend Jahre bis ins kleinste Zahnrad kannte, sie warten und nachbauen konnte.
Und wenn sich der Schrauber dort unten befand, dann bedeutete das…
„Das Bier! Natürlich. Es ist das Bier, nicht wahr?“, rief Klammgluth.
Wieder gab sich Silberkies sichtlich Mühe, keine Regung zu zeigen. Nur seine Wimpern zuckten unmerklich.
„Auch der Schrauber braucht Bier, und das muss irgendwie zu ihm gelangen…“
Triumphierend drehte sich Klammgluth zu den anderen Menhiren um.
„Der Weg zum Undenkbaren führt durch einen Bierschacht!“, sagte er. „Wir müssen bloß noch herausfinden, wer dem Schrauber sein Bier braut!“
Freudig gab er seinem Reittier die Sporen.
Der Bierschacht des Schraubers,
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